Wahre Schönheiten, Ikonen

(c)Dirk Mittermeier

Was wir Menschen anbeten

Nach einem ausgiebigen Frühstück im Cafe & Bar Celona in der Bremer Innenstadt unternahm ich einen Abstecher in die Kunsthalle. Aus dem Abstecher wurde ein dreistündiger Besuch in den Ausstellungsräumen. Warum? Es begann mit dem Klang sakraler Chormusik beim Betreten der Ausstellung. Vierzig im Oval aufgestellte Lautsprecher aus denen zu bestimmten Zeiten die Renaissance – Motette “Spem in Alium” des Komponisten Thomas Tallis zu hören war, gesungen von vierzig Sängerinnen und Sänger des Cathedral Choir aus Salisbury. Jeder Lautsprecher war mit einer  Stimme aus dem Chor gekoppelt. So erklangen mal auf der eine Seite, mal auf der anderen Gesangsstimmen, männliche oder weibliche, laut oder leise. Die Künstlerin Janet Cardiff gab hierfür den Auftrag, verriet ein Hinweisschild. In der Mitte des grossen weiss getünchten Raumes stand eine Bank. Dort setzte ich mich, wie auch andere Besucher, “um in mich zu gehen”. Es war ein wunderbares Klangerlebnis, fast wie in einer Kathedrale, welches mich  auf die Ausstellung einstimmte.

(c)Dirk Mittermeier

Ikonen

Unter  dem Begriff “Ikonen” verstand ich bisher religiöse, kirchlich geweihte Bilder, die überwiegend auf Holz gemalt oder als Mosaiken oder Fresken gefertigt wurden. Ich erlebe bei ihrer Betrachtung immer etwas Wundersames, eine gewisse Aura, die sie umgibt. In der heutigen Zeit bezeichnet man jedoch Vieles als “Ikone”. Das wurde mir in dieser Kunstausstellung vergegenwärtigt. So werden bekannte Persönlichkeiten, berühmte Kunstwerke, bedeutende Gebäude, beliebte Markenprodukte ebenfalls zu Ikonen, da sie von Menschen verehrt und/oder angebetet werden. Die Ausstellung erstreckt sich über drei Etagen des Museums. Auffallend ist, dass in fast jedem Raum nur ein Exponat gezeigt wird. Das ist etwas Besonderes, da der Fokuss allein auf einem Kunstwerk liegt und es dadurch noch mehr an Ausstrahlung gewinnt. So hab ich es empfunden. Sehr beeindruckend fand ich auch die Video-Installationen: Eine Darstellung von damaligen und heutigen “Ikonen”: Fotos von Persönlichkeiten, die Geschichte geschrieben haben oder noch schreiben, wie u.a. Gandih, Churchill, Marx, Kennedy, Putin, ebenso aus der Musik, wie Louis Armstrong, Elvis, Madonna und viele mehr. Auch geschichtliche Ereignisse, wie die im Qualm stehenden Twin Towers in New York City nach dem Anschlag 2001, wurden in Szene gesetzt. Dieses Foto berührte mich besonders, da ich genau ein Jahr zuvor dort oben stand.

(c)Dirk Mittermeier

Räume

Neben den internationalen Kunstwerken und kostbaren Leihgaben bleibt mir auch ein Raum in Erinnerung, der Themenraum: “Hausaltäre”, Identität oder Dekoration?” In diesem eher kleinen Raum waren unterschiedliche Dinge von Privatpersonen auf zwei zierlichen Hausaltären platziert. Bei deren Betrachtung erinnerte ich mich an ähnliche Altäre, die ich oft bei insbesondere älteren Menschen gesehen hatte, wenn ich sie besuchte. Da standen Fotos, Figuren, Kerzen und auch Blumen. Sie gaben mir einen ganz persönlichen Eindruck davon, was ihnen wichtig ist, was sie vielleicht auch anbeten. Am Eindrucksvollsten in dieser Kunstausstellung fand ich jedoch letztendlich den Goldraum von James Lee Byars. Ich wurde fast geblendet von diesem strahlenden Gold auf Wänden, Decke und Fussboden. Was der Künstler darstellen wollte? An dieser Stelle ein Zitat aus dem Weserkurier DIGITAL Kunsthalle Bremen: “Der Künstler setzte sich hiermit mit seinem eigenen greifbar nahen Tod auseinander und verband diese schwere Auseinandersetzung mit Gedanken vom Jenseits und der Vorstellung von einem perfekten vollkommenen Zustand nach dem Tod.” So hatte ich den Raum nicht gesehen, aber die Interpretation des Künstlers ist oft eine andere als die des Betrachters. Das ist sogar oft erwünscht. Auch das macht für mich Kunst interessant und spannend. Meine Meinung: Eine grossartig und gekonnt konzipierte Kunstausstellung! Absolut sehenswert!

Monika Sattelberg

Kunsthalle Bremen vom 19.10.2019 – 01.03.2020

  2 comments for “Wahre Schönheiten, Ikonen

  1. matu sagt:

    Ja, die Ausstellung „Ikonen“ in der Kunsthalle ist wirklich sehenswert !
    Die besondere Präsentation der Bilder und Objekte erzeugen eine „Aura“,
    die das Betrachten der Kunst zu wirklichem Genuss führt und die Kunst der Betrachtung fördert..
    Das hat die Autorin schön beschrieben….l

  2. Barbara sagt:

    Es war auch hochinteressant, mit meinem halbwegs kunstinteressierten 17jährigen Enkel in die Ausstellung „Ikonen“ in der Kunsthalle zu gehen, mittelalterliche bis moderne Kunst – Andachtsbilder bis Kunstwerke – zu sehen, in den Dialog mit einzelnen Bildern zu treten und aktuelle Fragen zu stellen, Gefühle zuzulassen und die Beziehung des Menschen zum Übersinnlichen zu befragen. Dann aber auch bei Jeff Koons „Ballon Dog “ – ein Objekt das an Kindergeburtstage erinnert z.B.- der Leichtigkeit der Kindheitstage und dem „inneren Kind“ nachzuspüren-

    Jetzt ist sie vorbei die geniale Ausstellung, aber die inneren Bilder und Erinnerung an sich anschließende gemeinsame Gespräche bleiben !

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