Osterfrühstück mit Wodka und Ei

Osterfrühstück: Junge Leute an einer Kaffeetafel

(c) Barckhausen

Ostern kann das schönste Fest des Jahres sein. Anders als Weihnachten ist es frei von Flötenspiel und Familienduselei. Ostern heißt Hoffnung auf Helligkeit und Wärme, auf Aufwind und Auferstehung.

In unserer Familie war Ostern immer das wichtigste Fest des Jahres, das mit einem fröhlichen Frühstück zelebriert wurde. Initiiert durch meinen baltischen Patenonkel wurde es mehr oder weniger streng nach russischem Brauch eingenommen. Eine Tradition, die ich mit großer Freude bis heute fortführe.

Ein großes Osterfrühstück bedarf einiger Vorbereitungen

Schon Tage vorher wird geplant und dekoriert. Nach einem Großeinkauf am Gründonnerstag wird am Karfreitag die wichtigste Speise, die Paßcha zubereitet, die im Gegensatz zu mir mindestens zwei Nächte und einen Tag vor dem Fest ruhen soll. Paßcha ist der russische Osterkuchen, eine feste Quarkspeise, angereichert mit Mandeln, Zucker, Butter und Eigelb. Sie kann nur in einem richtigen, altmodischen Blumentopf zubereitet werden, weil die überflüssige Flüssigkeit durch das Loch im Boden abfließen muss. Das konisch geformte, zartgelbe Gebilde wird zum Schluss mit Korinthen verziert, die Symbole der russisch-orthodoxen Kirche nachbilden. Und ganz wichtig: Die richtige Paßcha krönt eine oben eingepflanzte, möglichst kitschige Papierblume – weil nämlich in Russland zu Ostern noch keine echten Blumen gedeihen.

Osterfrühstück: Der Osterkuchen wird angeschnitten

(c) Barckhausen

Am Samstag schleppen starke Nachbarn und Nachbarstöchter aus der nahen Tischlerei Tischplatten, Böcke und Klappstühle herbei. Die Tische werden eingedeckt und dekoriert und bis spät in die Nacht werden Speisen vor- oder schon zubereitet.

Sonntag beginnen wir recht spät, einige Frühaufsteher nehmen zu Hause schon mal einen Ohnmachtshappen, und die Freunde mit kleinen Kindern müssen ja auch noch Eier suchen. Viele Gäste bringen einen Beitrag zum Gelingen, sei es eine selbst gemachte Marmelade, ein Osterzopf, bunte Eier oder, wie meine direkte Nachbarin, die zweite Hälfte Geschirr, die dann – ganz praktisch – nach dem Frühstück auch wieder in ihrer Spülmaschine landet.

Familie beim Osterfrühstück

(c) Barckhausen

Ein Wodka, ein Ei…

Zunächst müssen eigentlich alle – ob Mann Frau oder Kind, und gleichgültig, ob es ihnen schmeckt oder nicht – einen eisgekühlten Wodka trinken. In diesem Punkt bin ich nicht mehr ganz so streng, wie es mein Vater war. Dann folgt ein halbes hart gekochtes Ei, gefüllt mit Essig, Öl und allerlei scharfen Gewürzen. Dann wieder ein Wodka und noch ein Ei. Nun erst darf der Kaffee eingeschenkt und gefrühstückt werden. Dann endlich wird die Paßcha angeschnitten, von der nie genug da sein kann, obwohl sie, das weiß ich aus Erfahrung, bei zuviel Genuss auch ziemlich schwer im Magen liegen kann.

Zum Osterfrühstück gehört der Osterspaziergang

Ein weiteres wichtiges Ritual ist das „Eier-Titschen“, bei dem jeder Gast sein hart gekochtes Ei am Ei einer anderen Person aufschlagen muss.Gewonnen hat die, deren Ei als letztes heil geblieben ist. Mit den Jahren haben erfahrene Mitspieler schon ausgeklügelte Strategien entwickelt, um siegreich aus dem Wettkampf hervor zu gehen und wenden ihr Wissen ganz unerwachsen ohne Rücksicht auf Verluste auch gegenüber unerfahrenen Kindern an.

Große Schale mit Ostereiern

(c) Barckhausen

Wenn alle vom Essen und Spielen erschöpft sind, brechen wir zu einem Spaziergang an der Weser auf, den wir oft nach einer Stunde schon hungrig beenden und alle kehren an die Tafel zurück.

Die letzten Gäste gehen oft erst am Abend nach Hause. Sie hinterlassen Chaos und eine erschöpfte Gastgeberin – und freuen sich auf das nächste Jahr. Alle wollen wieder dabei sein. Auch wenn die Bude von Jahr zu Jahr voller wird und so mancher eingequetscht zwischen seinen Nachbarn am Tisch hockt. Jemanden neu einladen? Ausgeschlossen! Da müsste ja jemand anders absagen. Und wer daran glaubt, der glaubt auch an den Osterhasen…

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