Das Leben in den Zeiten von Covid-19 (10): Was denn nun?

(c)Dirk Mittermeier

Besuchsverbot – Kontaktsperre – Ausgangssperre – Was denn nun?

Es ist doch völlig klar: Das Eindringen der Virusinfektion in eine Alten- oder Pflegeeinrichtung zu verhindern hat hohe Priorität, in einigen Häusern in Deutschland hat sich dies mit verheerenden Todesfolgen bereits gezeigt. Ein Besuchs- und Betretungsverbot ist da die logische und traurige Konsequenz.

Besuchssperre

Es ist aber dabei differenziert zu berücksichtigen, dass es alte Menschen in den Einrichtungen gibt, die besonders unter den schönen, fast sommerlichen Wetterverhältnissen auch den Weg nach draußen suchen und finden. Wenn sie dabei mit Angehörigen, zum Beispiel in nahegelegenen oder sogar hauszugehörigen Parks, zusammenkommen unter verantwortungsvoller Einhaltung der notwendigen räumlichen Distanz, können diese Kontakte doch nur gutgeheißen werden. Diese Menschen müssen sich ansonsten in äußerst begrenzten räumlich engen Häuslichkeiten aufhalten und gerade diese alten Menschen können jetzt sehr unter Vereinsamung leiden. Es gibt darüber hinaus bis jetzt meines Wissens keine rechtliche Handhabe, Bewohnern das Verlassen des Heimes zu verbieten, sprich Ausgangssperren, um sich an der frischen Luft aufzuhalten. Bundesministerin Frau Dr. Giffey empfiehlt in ihrer Funktion als Bundes-Seniorenministerin in der Pressemitteilung vom 19.03.2020 ausdrücklich, das schöne Wetter zu nutzen, um spazieren zu gehen und das Immunsystem zu stärken. Es solle jedoch der Mindestabstand von zwei Metern eingehalten werden, wenn Bekannte oder Angehörige getroffen werden. Eine ähnliche Verlautbarung gibt es aus Bayern.

Soweit, so gut!

Aus einem in dieser Hinsicht erschreckenden Beitrag in buten un binnen und aus Äußerungen der Senatorin für Soziales muss man demgegenüber den Eindruck gewinnen, dass „Besuchsverbot“ sich nach anderer Lesart auch darauf bezieht, dass mobile alte Menschen, die unter Einhaltung der Abstandsregeln zwar zum Bäcker, zum Supermarkt um die Ecke und zur Apotheke gehen dürfen, nicht mit einem Angehörigen unter den gleichen Regeln außerhalb der Einrichtung zusammentreffen dürfen, also einer Kontaktsperre. Das kann doch keiner verstehen, zumal nicht der alte Mensch, der ansonsten in seiner Einrichtung alleine leben muss! Und da dies dann ohne Differenzierung für alle Bewohner einer Einrichtung gilt, grenzt es in manchen Fällen an Altersdiskriminierung. Ganz zu schweigen davon, dass die Leitung einer solchen Einrichtung das Dilemma in die eine oder andere Richtung hausintern lösen muss und im Problemfall die Folgen zu verantworten hat.

Klare Kante?

Wird auf politischer Seite an dieser Stelle die klare Kante gescheut? Eine Ausgangssperre oder eine Kontaktsperre für die Menschen in Alteneinrichtungen wurde bisher nicht verhängt. Es hätte Konsequenzen, auch die, dass hier eine juristische Überprüfung stattfinden könnte. Aber es sollte nicht dem freien Spiel überlassen werden, bei dem sich dann „Aussperrungsbefürworter“ und „Bürgerfreiheitsbefürworter“ ohne klare Vorgaben gegenüberstehen. Es ist mir schon klar, dass die Sorge um die Risikogruppe der Alten beide Seiten eint, aber wäre ein erweitertes Besuchsverbot oder besser Kontaktverbot juristisch und menschlich tatsächlich vertretbar? Eine differenziertere Betrachtung dieses Dilemmas von Seiten der Politik, im Hinblick auf die unter dem Oberbegriff „Sorge“ verdächtig nach sozialer Stigmatisierung alter Menschen aussehenden Aktion einer Kontakt- oder Ausgangssperre, wäre sehr hilfreich und würde Klarheit bringen. Sowohl für die Bewohner, als auch für die Verantwortlichen der Einrichtung.

Dr. Dirk Mittermeier

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