Eine Geschichte zum Weihnachtsfest, Teil 1

Liebe Leserinnen und Leser des SeniorenLotsen,

liebe Seniorinnen und Senioren,

(c)Dirk Mittermeier

es geht auf Weihnachten zu, wir erleben in den Geschäften und auf den Märkten unserer Stadt die Fülle und den Überfluss dessen, was wir zur feierlichen Gestaltung des Festes einkaufen und erwerben können. Artikel und Dinge aus der ganzen Welt, es herrscht kein Mangel an Essbarem, jedenfalls für die meisten von uns. Ja, wir geniessen es. Auf der anderen Seite gibt es sie noch, die Menschen, die am Rande des Existenzminimums zurecht kommen müssen, warum auch immer. Da werden in unseren Zeiten Menschen, die in Abfallcontainern noch Essbares herausfischen und mitnehmen wollen, wegen Diebstahls vor Gericht gestellt. Wo leben wir denn?

Erinnerungen

Vielleicht ist es da einmal wieder vonnöten, sich an vergangene Zeiten zu erinnern oder erinnern zu lassen, Kriegs- und Nachkriegszeiten, in denen jeder mit viel weniger auskommen musste und in denen eine Tasse heisser Bohnenkaffee ein Weihnachtsluxus war. Die Zeitzeugen werden langsam weniger, die von diesen Zeiten berichten können, sie sterben langsam aus. Wir wollen dazu eine Geschichte zu Weihnachten veröffentlichen, die von diesen Zeiten und selbst Erlebtem berichtet, in vier Teilen bis Weihnachten. Quasi vier Türchen zu einem anderen, aber auch frohen Weihnachten, in einer Zeit, die viele von uns nicht mehr miterleben mussten und die wir auch nicht wieder erleben wollen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest und ein gesundes, glückliches und erfülltes Neues Jahr.

Ihr

Dr. Dirk Mittermeier,

alter und neuer Mediensprecher der SeniorenVertretung in der Stadtgemeinde Bremen.

 

Hier nun Teil 1 unserer Geschichte zum Weihnachtsfest

„Eine Tasse guter Bohnenkaffee“  (Teil 1)

Eine Weihnachtsgeschichte, 1947 erlebt und in diesem Jahr den vielen tapferen Nachkriegs-Müttern und Frauen gewidmet.

Bremen, zum Weihnachtsfest 2019, Elisabeth Kriechel

Wir lebten zu dieser Zeit im Flüchtlingslager Kielseng, Flensburg-Mürwik, nahe der Marineschule. Wir, das waren quasi fünf Familien in Baracke 15, Zimmer 6, 40 qm groß. Dazu zählten: Meine Großmutter mit ihrer jüngsten Tochter, meiner Mutter, mit meiner kleinen Schwester und mir, Frau Behnke mit zwei Söhnen und einer Tochter, sowie zwei alleinstehende ältere Damen. Alles war sehr beengt, jeder hatte einen Strohsackplatz zum Schlafen, dahinter das wenige an Habseligkeiten. In der Mitte des Raumes stand eine kleine Brennhexe, nur um die herum spürte man etwas Wärme. Daneben befand sich ein Tisch mit Hockern für alles Gemeinsame.Noch gibt es mich, so möchte ich diese Geschichte gerade in dieser Zeit der unzähligen Möglichkeiten schreiben. Ich zählte damals gerade neun Lenze.

Das Barackenlager

Die Holzbaracke gab Platz für ca. 18 Zimmer, der Baracken-Älteste hatte jeweils eines für sich und die seinen Familie ganz alleine. Er teilte Bewohnerinnen und Bewohner zum Essenholen in die Küchenbaracke ein. Insgesamt gab es 19 Holz-Baracken und eine Steinbaracke für Verwaltung und den medizinischen Dienst. Meine Mutter berief er gleich zu Anfang zu dieser Tätigkeit. Eines Tages kam sie mit etwas unter ihrer Jacke in unsere Stube.

Der Zuckersack

(c)Elisabeth Kriechel

Es war ein Zuckersack, den sie vom Küchenpersonal ergattern konnte. Sie hatte vor, den in seine einzelnen Fäden zu zerlegen und etwas daraus zu stricken. Als sie ihn stolz präsentierte, blickten alle auf einen weißen Flecken am unteren Rand, von Hand aufgenäht. Darauf entzifferten die Erwachsenen eine Adresse in Brasilien. Mutter, immer kreativ, in diesen kargen Zeiten helle, sah mich sofort an und meinte, dass ich mit zwar anfänglichen, aber dann doch schon Englischkenntnissen dahin einen Bittbrief schreiben sollte. Mir fehlende Worte konnte ich ja in meinem englischen Wörterbüchlein nachsehen. Alle stimmten ein. Irgendwie trauten sie mir wohl alle Schreibtalent zu. Ich muss hier erwähnen, dass wir wirklich eine Lagerschule gegründet hatten. Im Lager selber gab es ältere Lehrer, mehr Gymnasiallehrer als Volksschullehrer, so kam es, dass wir alle Englischunterricht hatten. Dies auch deshalb, weil die englische Besatzungsmacht, nun in der Marineschule beheimatet, die dem Lager am nächsten liegende Baracke abgab, wohlwollend einsah, die vielen Kinder nicht mehr wild herumlaufen zu lassen. Ich selber war stolz, eine zweite Sprache, dann diese Weltsprache, erlernen zu dürfen.

Teil 2 folgt am Dienstag, den 10. Dezember

Teil 3 folgt am Montag, den 16. Dezember

Der letzte Teil folgt am 23. Dezember

  1 comments for “Eine Geschichte zum Weihnachtsfest, Teil 1

  1. Ellen sagt:

    Die Erinnerung an schreckliche Zeiten ist in zweifacher Hinsicht wichtig: Erstens dass uns immer wieder klar wird, wie luxuriös wir leben. Und zweitens können wir uns mehr in das Leben der heutigen Flüchtlinge hinein denken.

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