Schulstart damals und heute – Vom Mangel zum Überfluss

Erster Schultag, 7. August 1944 – Der Junge auf dem Foto ist im letzten Kriegsjahr in einem Vorort von Bremen eingeschult worden. In seiner Welt war noch alles ziemlich in Ordnung.

Junge mit Schultüte

(c) privat

Sein Vater war nicht Soldat, sondern sorgte in seiner Bäckerei dafür, dass Soldaten Proviant bekamen. Und das Kind bekam alles, was damals in der Schule gebraucht wurde: Ranzen, Schiefertafel, Putzlappen zum Abwischen der Kreide und eine Schultüte. Auch zum Anziehen gab es genug. Von meinem ersten Schultag, ein Jahr später, gibt es kein Foto, denn mein Vater war in Kriegsgefangenschaft, sein Fotoapparat war vermutlich verloren gegangen. Ob ich einen Ranzen hatte, weiß ich nicht mehr. Aber ich erinnere mich, dass mir meine Mutter aus aufgeribbelter Wolle Strümpfe und einen Pullover gestrickt hatte. Auch eine Schultüte hatte sie für mich besorgt, allerdings ohne Süßigkeiten, dafür hatte sie eine klein e Puppe hineingesetzt. Passende Schuhe für mich hatte meine Mutter  nicht aufgetrieben, dafür hatte der Schuster mein einziges Paar aus Leder vorne aufgeschnitten, damit die Zehen genug Platz hatten.

Und heute?

Im Lokalteil vom Bremer Weser-Kurier wird einen Tag vor Beginn des neuen Schuljahres vorgerechnet, was es heute kostet, wenn ein Kind zum allerersten Mal in die Schule geht: oftmals einen höheren dreistelligen Betrag….Dazu findet sich in der Ausgabe auch eine Liste mit allen Dingen, die ein Kind zum Schulstart braucht, zusammengestellt von einer Grundschule in einem Bremer Stadtteil, in dem Armut kein Fremdwort ist. Es sind  25 Positionen, unter anderem soll das Kind eine Brotdose, Trinkflasche, Hausschuhe, Turnbeutel (Turnschuhe mit heller Sohle…) mitbringen und auch Tuschkasten, Buntstifte, Radiergummi (3) und verschiedene Hefte…in seinem Ranzen haben.

So war es gestern!

Seit 1947 steht in der Bremer Landesverfassung, dass für alle Schüler die Lern- und Lehrmittelfreiheit gilt. Und tatsächlich habe ich das erlebt und auch für unsere Kinder mussten mein Mann und ich  keine Hefte,  Tuschkasten und  Bücher kaufen. Bei meinen Kindern wurden Hefte und Tuschkasten sogar so üppig verteilt, das heute (rund 35 Jahre später) immer noch ein Rest Hefte und ein Tuschkasten von den Enkelkindern genutzt wird. Für alles andere – Sportkleidung zum Beispiel – mussten wir Eltern dann aber auch sorgen. Zum Glück wurden aber keine Hausschuhe verlangt und auch Brotdose und Trinkflasche waren damals noch unbekannte Utensilien.

Ich bin froh, dass ich diese üppige Wohlstandswunschliste nie erfüllen musste.

  2 comments for “Schulstart damals und heute – Vom Mangel zum Überfluss

  1. Freiwillige sagt:

    Ja, das stimmt. Heute werden Einschulungen schon gefeiert, wie eine Konfirmation. Alles völlig übertrieben, finde ich.
    Leider mussten wir für unsere Kinder schon die Schulbücher bezahlen. In Niedersachsen gab es zwischendurch keine Lehrmittelfreiheit. Wie es heute ist, kann ich gar nicht sagen. Das war nach den Sommerferien immer so etwa eine Summe von fünfhundert Mark. Wir hatten drei Kinder. Das war schon eine Stange Geld.
    Hoffentlich können die heute mit Glanz und Gloria eingeschulten Kinder diesen Lebensstandard immer halten.
    Ingrid

    • Dorothee sagt:

      Ich kann die Liste der Wohltaten für die Familie noch fortsetzen: Beitragsfreie Krankenversicherung von Frau und Kindern beim angestellten Mann und Vater. – Steuerersparnisse für Kinder bis zum Ende der Berufsausbildung – zeitweise verbilligte Bahnfahrkarten. Das war die Zeit zwischen 1964 und 1984.
      Dorothee

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