Wasser des Lebens

Hand und Bein unter Wasser

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Hast du vorhin die Sonne gesehen? – Nein. – Herrlich! Sie war heute Morgen ganz orange und so groß. – Der Erzähler breitete seine Arme über der schulterhohen Wasseroberfläche zu einem Kreis, um seinen Zuhörern das Zentrum unseres Sonnensystems vorstellbar zu machen. – Ich hätte zustimmend genickt, hätte er mich in das Gespräch einbezogen. Es entspann sich neben mir im warmen Solebecken des Vitalbads Vahr.

Klönschnack am Morgen. Viele Köpfe scheinen in dieser erwärmenden Atmosphäre über den Wellen zu schweben. Vergleichbar mit den Schaumstoffkugeln einer Trennleine, die sie – zum Rund geformt – auf den Wellen tragen. Während die Morgengedanken über das Salzwasser sprudeln, sprudeln die Massagedüsen aus dem Beckenrand Entspannung in die Fluten. Unter einer Badekappe krabbelt ein spontanes Lächeln hervor. Es trifft mein Auge und rutscht in mein Herz.

In dieser Atmosphäre fühle ich plötzlich Dankbarkeit. Dafür, dass uns Bremern solche Kostbarkeiten in den Raum gestellt werden. Vierzehn öffentliche Bäder sind über das Stadtgebiet verteilt. In einer Kommune, in dem ein strenger Rotstift durch den Haushaltsplan fährt, ist so ein Sportvergnügen nicht unumstritten. Dieser Quell der Energie richtet sich altersstufenlos an alle Bremer.

Seit einigen Wochen nutze ich das öffentliche Badewasser. Mich führte die Vernunft in die Fluten, mir mehr Bewegung verschaffen zu wollen. Wenn ich nun die Gesichter der anderen Schwimmbadgäste betrachte, wird mir gespiegelt, welch glückliche Wahl ich getroffen habe. Das vergnügte Quieken eines Babys beim Eintauchen in das Wasser spricht Bände in mein Ohr. Die stolz geschwellte Brust eines Schmetterlingsschwimmers weckt meinen Nachahmungstrieb. Die strahlenden Augen einer 80-Jährigen untermalen ihren Bericht, dass sie sich schon seit über dreißig Jahren in Bremens Bädern zuhause fühlt. Ihre Arme streichen nach unserer kurzen Unterhaltung wieder rhythmisch durch den sanften Widerstand des nassen Elements. Eine Urkraft, die den Lebensfluss anregt. Das Wasser des Lebens. Nicht (in Worte) zu fassen.

Eleonore Born

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