Totengedenken – Grabkultur

Ist man in die Jahre gekommen, hat man fast mehr Vorangegangene als hier Nahestehende. Ich habe ihnen in diesem Jahr ein Gedicht gewidmet. Auch besuche ich jeweils verschiedene Friedhöfe und nahm mir dieses Jahr einen kleinen, ganz besonderen in Sebaldsbrück vor. Der Grabkultur gilt meine Aufmerksamkeit, wie gestalten wir heute, wo sind künstlerische Elemente oder gar neuzeitliche Werke von Bildhauern zu sehen. Gibt man ihnen überhaupt Gelegenheit, frei zu gestalten oder unterzieht man sich weiter dem, was üblich war und noch ist?

Wohltuend empfängt einen hier vom Tor an eine sehr gepflegte Stätte, dabei ist nichts übertrieben. Es tut so gut, eine gewisse Bescheidenheit zu erleben und doch dabei eine Vielfalt individueller Möglichkeiten.

Und siehe da, ich stieß auf etwas Neues: Ein Doppelgrab schmückte eine Skulptur, ein Keim, geschaffen von dem Bildhauer und Künstler Urban Negenborn aus Bremen.

Weißer Grabstein

(c) Elisabeth Kriechel

Lange mußte ich verweilen, mir diesen Keim, eine Form aus der Unendlichkeit der Formen, von allen Seiten ansehen. Wie stimmig, sind wir nicht alle Keim und Werdende, zur Entfaltung berufen?

Ja, unsere Künstler, sie können durch ihre Werke so zu uns sprechen, wenn wir ihnen nur Gelegenheit geben. Eine Vielfalt würde entstehen und jeweils auch ein Unikat. Die Anziehungskraft dieser Skulptur hat mir so gut getan. Kunst bereichert und Künstler öffnen uns immer wieder den Blick für Neues, das aus der Zukunft bereits in die Gegenwart blicken möchte. Geben wir ihnen sooft Gelegenheit wie nur möglich. Die jetzt Lebenden wollen auf ihre Art die Kunst der vorangegangenen Künstler weiterführen und ihre eigenen Ideen verwirklichen.

Elisabeth Kriechel

Weißer Grabstein

(c) Elisabeth Kriechel