Hildes Tod

Teelichter

(c) Robers, frauenseiten

Es ist so schwer, eine Freundin zu verlieren…ihr Stammplatz blieb leer.

Jahrelang haben wir viel gelernt über Lyrik, haben selber Gedichte geschrieben. Es gab eine Kerngruppe in dem Kurs. Dazu gehörte auch Hilde. Ihre Gedichte hatten einen leicht unterschwelligen Humor. Sie saß immer im gleichen Sessel. An den letzten drei Terminen vor den Ferien blieb ihr Platz leer. Hilde hatte Krebs. Ich schrieb ihr und wünschte ihr Mut. Ja, genau den brauche sie jetzt, antwortete sie mit ihrer warmherzigen Stimme am Telefon.

Hilde kam ins Krankenhaus
Und ich fragte an, wann ich wieder ihre Gedichte hören werde. Daran sei gar nicht zu denken. Sie sei froh, wenn sie aus ihrem Bett heraus könne und wieder zurück. Mehr sei nicht möglich. Ihre Kinder besorgten ihr einen Platz in einer Alten-Wohnanlage. Dort konnte sie nicht mehr heimisch werden. Sie wurde Patientin in der Lungen-Fachabteilung im Krankenhaus: Lungenkrebs.

Wir wollten uns von ihr verabschieden
Ich möchte dich gern besuchen, fragte ich telefonisch an. Nein, komme nicht. Ich kann nicht. Ich fragte dreimal nach. Ich konnte sie kaum verstehen. Ihre Zunge stolperte über die Wörter. Ihr Atem rasselte. Zunächst war mir ihre Antwort recht. Ich fühlte mich dem Besuch nicht gewachsen. Maren ging es ebenso. Wir wollten ihr nur schreiben. -Aber ich fühlte mich sehr bedrückt. Es ging einfach nicht, sie nicht zu besuchen. Wir verabredeten uns, Maren und ich. Wenn es wirklich unmöglich war, wollten wir nur einen Blumengruß abgeben. Maren kaufte rote Rosen, lieh sich ein Auto, und wir fuhren ins Krankenhaus.

Steg am Wasser

(c) Bärbel Ahrens

Der unbekannte Weg
Zimmer 17, wir klopften, gingen hinein. Sie war überrascht: „Ihr traut euch ja was!“ Ihr feiner Humor war noch da. Sie freute sich: „Ja, so seid ihr Frauen. Ihr tut das, was ihr wollt.“ Sie lag da mit der Sonde für Sauerstoff in der Nase. Und wenn sie sprach, konnte ich sie viel besser verstehen als am Telefon. Wir saßen an ihrem Bett; eine links und eine rechts. Wir küssten und drückten sie. Sie schaute Maren, die von ihr verehrte Lehrerin, aufmerksam an und lächelte, als diese ihre Gedichte lobte. Ich nahm ihre Hand: „Du gehst jetzt durch ein fremdes Land, das wir nicht kennen.“ Ihre Augen glänzten: „Ja, ich gehe durch eine Wüste hinter einer Kamelherde her.“ Sie blickte etwas verschmitzt. Nach einer Pause: „Ach, ich habe so viel versäumt im Leben….. „

Wir redeten kaum
Sie war eine kreative Frau, hat gesungen, hat wunderbar farbige Bilder gemalt und sie hat gedichtet. Sie war Jahrzehnte glücklich verheiratet, hat drei Kinder geboren und erzogen. Ein gelebtes Leben. Wir hätten noch viel mit ihr dichten können, mit Hilde. Nach dem Besuch gingen wir miteinander in das Restaurant, in dem wir auch mit Hilde immer gesessen hatten nach den Lyrik-Abenden. Schweigend saßen wir uns gegenüber.

Am Sonnabend, drei Tage nach unserem Besuch, ist Hilde gestorben.
Wir hätten noch viel mit dir dichten können, Hilde. Es ist so schwer, dich zu verlieren.

Elfie Siegel

  3 comments for “Hildes Tod

  1. Anna Athenstädt sagt:

    Liebe Elfie,
    Du beschreibst sehr einfühlsam eine Erfahrung, die ich gerade jetzt gemacht habe. Meine Freundin ist am Donnerstag gestorben, heute wäre sie 55 Jahre alt geworden. Sie war nur einige Wochen im Krankenhaus, aber für sie gab es eben auch keinerlei Heilungchancen mehr.
    Ich konnte sie vor 14 Tagen noch im Krankenhaus besuchen, ich hatte das Glück, zwei Stunden mit ihr zu verbringen, in denen sie keine Schmerzen hatte, sogar Kaffee zu sich nehmen konnte, sie erzählte mir, dass sie im besten Falle noch einige Monate leben würde, dass sie noch gerne einmal nach Hause und von da aus ins Hospiz wechseln würde. Das Alles hat sie nicht mehr geschafft, aber sie konnte noch in Ravensburg auf dem Friedhof ein altes, denkmalgeschütztes Grabmal aussuchen. Dort wird ihre Urne beigesetzt, ihre intimste Freundin hat die Patenschaft übernommen und wird das Grab pflegen.
    Am Donnerstag kommender Woche werde ich mich von ihr mit vielen anderen Freundinnen endgültig verabschieden – es ist sehr schwer zu begreifen, dass wir sie alle wirklich verloren haben. .

    Anna Athenstädt

  2. Elfie sagt:

    Liebe Anna, danke für deinen Bericht.
    Elfie

  3. Bettina sagt:

    Ja, Elfie, und wie glücklich muss Hilde gewesen sein, euch als Freundinnen gehabt zu haben. Wer in der Erinnerung lebt, der ist nicht tot, der ist nur fern… in Gedanken bei Dir – Bettina

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