SONG – Ein Netzwerk in Nordrhein-Westphalen

Der Altenpolitische Arbeitskreis der Grünen wollte es genau wissen und lud zum Vortrag über funktionierende Nachbarschaften im Quartier ein.

Ein Umdenken ist erforderlich

Zum Thema Altenpolitik tauchte in letzter Zeit immer wieder der Begriff SONG auf. Im Altenpolitischen Arbeitskreis der Grünen wollten wir es genau wissen. Wir luden André Vater, Finanzvorstand der Bremer Heimstiftung, zu einem Vortrag ein. Wir erfuhren:
SONG heißt SOziales Neu Gestalten. Es ist ein Netzwerk der Bremer Heimstiftung und verschiedener Alten-Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen. Mit im Boot sind das Kuratorium Deutsche Altershilfe und die Bank für Sozialwirtschaft, die sich auf die Finanzierung sozialer Träger konzentriert. André Vater meint: Es müsse nicht nur Soziales neu gestaltet werden. Ein Umdenken in vielerlei Hinsicht sei erforderlich.

SONG, Alte Frau mit Rollator beim Einkaufen

Quelle: Elfie Siegel

Tatsache ist: Es wird nicht mehr Pflegekräfte geben

Ein völliger Wahnsinn seien die Rechenkunststücke der Pflegelobby. Sie jubiliert über ein sicheres Wachstum von Pflegeplätzen, nämlich von 845 000 im Jahre 2011 bis zu über zwei Millionen im Jahre 2050. Im gleichen Maße wachse die Beschäftigungsmöglichkeit in der Pflege. Die Realität wird dagegen sein, dass die Zahl der Schulabgänger bis zum Jahr 2020 um 29 Prozent zurückgeht. Hinzu komme das schlechte Image der Pflegeberufe. Der Berufswunsch der meisten sieht anders aus. Und viele junge Pflegekräfte überstehen nicht die ersten sieben Jahre Praxis.

Die Realität ist: Die konventionellen Einrichtungen sind nicht ausgebucht

In Bremen sind von 7000 Pflegeplätzen schon heute 700 bis 1000 nicht besetzt. Die konventionellen Pflegeheime können nur durch Abstriche in der Qualität halbwegs bestehen. Zum Beispiel gibt es billiges Essen von Großanbietern. Für die Bundesrepublik Deutschland wird das Essen für alle Einrichtungen zentral im Münsterland hergestellt, eingefroren und durch die Republik gefahren. Zu festgelegten Zeiten wird dann das Essen in den Heimen aufgetaut, erhitzt und verteilt.

Man braucht weniger Pflege

Ideal wäre, dass größere Einrichtungen einen Koch haben, dass es angegliederte Restaurants gibt, dass die Essenszeiten flexibel sind, dass in Wohngruppen und Hausgemeinschaften in kleinen Gruppen in einer haushaltsähnlichen Wohnküche gekocht wird. Die Mitarbeiter kochen zusammen mit den Bewohnern. André Vater bringt es auf die kurze Formel: Man braucht weniger Pflege. Man braucht mehr Hauswirtschaft. Außerdem sind Pflegewohngemeinschaften preiswerter.

Quelle: Elfie Siegel

Quelle: Elfie Siegel

Die Lösung liegt im Quartier

Die Bremer Heimstiftung setzt auf Vernetzung im Quartier, das heißt eine Kooperation mit vorhandenen Einrichtungen. Beispiele: Die Volkshochschule bietet Kurse an für die alten Bewohner des jeweiligen Hauses und auch für die Leute aus dem Viertel. Senioren basteln mit den Kindern im benachbarten Kindergarten. Die Kinder kommen rüber und singen zu Festtagen. Im Restaurant können Bewohner und Nachbarn gut und preiswert essen. Undsoweiter. Ich habe den Leiter eines Hauses kennengelernt, der zunächst erstaunt war, dass zu seinen Aufgaben die Vernetzung gehört. Heute ist er überzeugt von der Quartiersanbindung. – Das Konzept scheint aufzugehen: Die Einrichtungen sind zu 99 Prozent ausgelastet.

Es muss viel geändert werden

Die Mitwirkenden von SONG haben sich auf einen längeren Diskussionsprozess eingestellt:

  • Mit dem Gesetzgeber
    Die Bedingungen für den Bau von Pflegeheimen müssten geändert werden. Es müsste ein Bedarfsplan aufgestellt werden, ob überhaupt ein Bedarf an immer wieder neuen Pflegeheimen besteht. Denn leerstehende Pflegeplätze belasten die Gesellschaft.
  • Mit den Krankenkassen
    Es müssten andere Finanzierungsmodalitäten entwickelt werden.
  • Mit der Wissenschaft
    Weiterführende Modelle müssten entwickelt und evaluiert werden.
    Querdenkertreffen mit Professoren und auch mit den Netzwerken in den Quartieren sollten stattfinden..

Wir alle sind gefordert
Funktionierende Nachbarschaften im Quartier werden immer wichtiger. Es scheint ein langer Weg zu sein.

Elfie Siegel