MITmenschen: Kadriye Cakir, 60 Jahre, kocht ehrenamtlich

Elfie Siegel stellt Mitmenschen vor, die ihr im Alltag auffallen.

Frau in einer Küche

(c) Elfie Siegel

Kadriye ist bekannt

Zunächst finde ich mich in den Laubengängen und Fluren des Stiftungsdorfs Gröpelingen nicht zurecht. Ich frage ein Paar nach Frau Cakir. „Die kennen wir nicht. Aber wir bringen Sie zum Büro.“ Ich lese noch mal in meinem Notizblock „Kadriye Cakir“. „Ach, Sie meinen Kadriye! Dann gehen Sie dort zu der offenen Tür. Sie räumt gerade noch auf.“ So treffe ich die kleine Frau in der blitzblanken Küche. Sie putzt noch das Waschbecken und dreht die Mülltüte zu. Auf dem großen Esstisch wartet für mich ein kleiner Pudding. Sie setzt sich zu mir und schreibt die Essensliste für nächste Woche: Kleine türkische Frikadellen mit Kartoffeln und Couscous, in Tomatensoße auf dem Blech gebacken, dazu Eisbergsalat.

Ihr Mann hilft mit

Heute war es anstrengend. Ihre türkische Freundin war nicht da. Sie musste alles alleine machen. Sieben Leute hatten sich eingetragen zum Essen, und 13 kamen! Von 8 Uhr an habe sie gearbeitet. Zum Ende unseres Gesprächs erzählt sie lächelnd, dass ihr Mann ihr beim Einkaufen geholfen hat und sogar beim Kartoffelschälen! Aber wenn die Leute kommen, ist er weg. Es gab heute Seelachsfilet mit Senfsoße, Kartoffeln und ein Dessert. Das ist doch ein total deutsches Essen, frage ich. Ja, das esse ich eben gerne und die Anderen auch. Wenn so viele kommen, müssen immer einige warten. Sie schauen ihr dann beim Arbeiten zu: Es ist wie früher bei Muttern, hört sie dann. – Sie kocht einmal in der Woche, immer frisch betont sie. Es kommen türkische und deutsche Mieter. Sie zahlen 5 Euro.
Eine Seniorin kommt mit ihrem Rollator an die Küchentür und beschwert sich: Dieser Fischgeruch! Kein Fenster ist auf! – Ich zeige auf drei geöffnete Fensterklappen. Die Nörglerin zieht sich zurück. Kadriye Cakir lacht gutmütig. Schließlich kennt man sich.

Frau mit Kopftuch an einem Spülbecken

(c) Elfie Siegel

Sie betreut eine Frauengruppe

Vielleicht kann sie so gelassen bleiben, weil sie beim ZIS (Zentrum für Migranten und Interkulturelle Studien e.V.) eine Ausbildung als Seniorenbegleiterin gemacht hat. Sie hat türkische Seniorinnen auf Spaziergängen begleitet. Aber heute nicht mehr. Stattdessen kocht sie seit fünf Jahren. Ihr Arzt hat neulich gesagt, wenn sie so weitermacht, bekommt sie sicher bald eine Medaille.
Und sie betreut eine Frauengruppe. Jeden Freitag treffen sich die Türkinnen. Dafür backt sie türkischen Kuchen. Manche der Frauen bringen auch noch Selbstgebackenes mit. „Wir trinken dann Tee, reden, essen und entspannen uns. Manchmal reden wir auch über Probleme. Das geht, weil wir eine ziemlich feste Gruppe sind.“
Einmal im Jahr organisiert sie ein Frauenfest. Es findet im Nachbarschaftshaus Helene Kaisen im Ohlenhof statt. Sie verkaufen selbstgebackene Kuchen und mitgebrachte andere Köstlichkeiten. Das eingenommene Geld wird dann gespendet, im letzten Jahr an den Kindergarten. Es kommen Türkinnen und Frauen aus anderen Ländern, aber wenig deutsche.

Frauenportrait

(c) Elfie Siegel

Zwischen Bremen und der Heimat

1973 kam Kadriye Cakir nach Deutschland, genauer gesagt nach Gröpelingen. Ihr Mann hatte schon ein Jahr bei der AG Weser gearbeitet. Nach der Pleite ging er als Schweißer auf Montage, heute ist er Rentner. Sie sind 40 Jahre verheiratet, haben keine Kinder. Ihren Mann kennt sie seit ihrer Kindheit. Er ist ein enger Freund ihres Bruders. Sie hat vier Brüder und drei Schwestern. Jedes Jahr fahren sie für einige Monate in ihren Heimatort am Bosporus. Dort haben sie mit dem Schwager, seiner Familie und der Schwiegermutter ein Haus. Wenn sie in Bremen sind, steht ihre dortige Wohnung leer. In Bremen geht es ihr gut. Sie fühlt sich wohl. Die Freunde sind alle hier. Und nach einigem Überlegen: Eigentlich möchte ich ganz in meine Heimat gehen…

Leckerer Pudding und eine neugierige Frage

Zum Schluss bedanke ich mich für den leckeren Pudding mit Rosinen und Kokosraspeln. Nichts zu danken. Eine Kleinigkeit, sagt Kadriye Cakir. Sie blickt aus dem Fenster, freut sich und winkt. Auf dem Balkon gegenüber steht ihre türkische Freundin und schaut herüber.
Noch eine letzte neugierige Frage von mir: Wie groß sind Sie? Sie strahlt mich an: Ein Meter 50. Ich lache zurück: So groß wie heute war ich noch nie mit meinen 1,58…

Elfie Siegel

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