Interview mit Herrn L. Matzner

DerSeniorenlotse führte ein Interview mit Herrn Lukas Matzner, Projektmitarbeiter beim neuen AWO-Projekt „Der rote Faden für den Ruhestand“

Interviewer: Meine erste Frage geht an ihre Person. Was machen sie?

Lukas Matzner: Ich bin Projektmitarbeiter beim neuen AWO-Projekt „Der rote Faden für den Ruhestand“. Ich war schon im Vorgängerprojekt „GUBERA – Gut beraten“ im Ruhestand tätig. Kurz zu meinem Hintergrund: Ich habe hier in Bremen Sozialpolitik studiert und mich dabei viel mit Fragen rund um Armut und Ungleichheit und deren Bearbeitung beschäftigt. Ein Bereich der mich dabei besonders interessiert hat, war das System der Alterssicherung in Deutschland, welches ich nun in der Praxis vertiefend kennenlernen kann.

I: Sie sind aber nur für dieses Projekt angestellt?

LM: Ja, ich bin nur für dieses Projekt zuständig, wobei das Projekt auf fünf Jahre angelegt ist und somit längerfristige, substanzielle Strukturen etabliert werden können.

I: Worum geht es denn bei dem Projekt „Der rote Faden für den Ruhestand“?

LM: Es geht um eine Unterstützung für Menschen beim Zurechtfinden in der neuen Lebenssituation „Ruhestand“. Wir möchten verschiedene Möglichkeiten und Angebote vorstellen, die vielleicht nicht so bekannt sind oder die auch erst in einer nachberuflichen Situation aufgrund von viel mehr freier Zeit richtig genutzt und wahrgenommen werden können.

I: Können Sie ein paar Worten zu den Rahmenbedingungen sagen?

LM: Das Projekt, was wir jetzt machen ist ein ESF-Plus-Projekt (Europäischer Sozialfonds) in der Kategorie „Stärkung der Teilhabe älterer Menschen – gegen Einsamkeit und soziale Isolation“. Die großen drei Ziele sind: Einsamkeit und sozialer Isolation vorbeugen und diese bekämpfen, die Einkommens- und Lebenssituation verbessern, sowohl in der aktiven Berufstätigkeit als auch in der nachberuflichen Phase und das dritte Ziel ist es die kommunale Teilhabestrukturen für ältere Menschen zu stärken. Das sind die vorgegebenen Ziele, über die wir dann auch Rechenschaft ablegen müssen. Wir haben im Oktober 2022 angefangen und befristet ist das Projekt bis September 2027. Neben dem Projektleiter Herrn Steinmann und mir gibt es noch eine Kollegin, die sich vor allem um kulturelle Teilhabeangebote kümmern wird.

I: Interessant, könnten Sie nun noch einmal präzisieren, wie sich die Inhalte Ihres Projektes gestalten?

LM: Sehr gerne. Für den „roten Faden“ haben wir uns insbesondere ein Veranstaltungskonzept überlegt. Bis jetzt haben wir eher Einzelberatungen und eine Tandembildung für ältere Menschen gemacht. Wir haben jedoch festgestellt, dass viele Menschen sich gescheut haben, die Hürde zu überwinden sich für eine Beratung und vor allem auch für eine „Vermittlung“ anzumelden. Außerdem muss man sich ja auch gut bekannt machen, was insbesondere in den Jahren der Corona-Pandemie für uns schwierig war.

Deshalb wollen wir nun ein Vortrags- und Veranstaltungskonzept etablieren. Die Idee ist, dass es einen Überblicksvortrag gibt, der in die Thematik einführt. Was verändert sich mit dem Ruhestand? An was muss man denken? Danach gibt es drei Bereiche. Einerseits kann ein Vortrag besucht werden, der zu sozialen und kulturellen Angeboten informiert. Dort wird einem vorgestellt, was man so alles in Bremen machen kann, wo man sich engagieren kann. Dabei ist es uns auch wichtig, dass wir zahlreiche kostengünstige Möglichkeiten aufzeigen. Gleichzeitig bieten wir an gemeinsam Angebote in Bremen und umzu auszuprobieren. Ein weiterer Vortrag ist zum Thema „Einkommen im Ruhestand“ geplant: Was muss man da bedenken? Welche Einkommensarten kommen vielleicht in Frage? Insbesondere geht es natürlich darum, ob bei einer niedrigen Rente zusätzliche, soziale Leistungen beantragt werden können. Bei den Vorträgen sollen die Leute dazu angeregt werden ihre eigene Situation zu reflektieren. Der dritte Bereich ist dann „Bremen für Senior*innen“, wo wir explizit aufzeigen wollen, was diese Stadt für ältere Menschen bietet. Da kooperieren wir zum Beispiel auch mit der Stadtbibliothek.

Unsere Idee ist es übrigens, dass Teilnehmende, die an mehreren Veranstaltungen teilnehmen eine Karte erhalten und dies die Motivation steigert, den eigenen „roten Faden“ zu finden.

I: Wie kommen denn die Menschen zu Ihnen?

LM: Insbesondere durch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Wir möchten unser Projekt und unsere geplanten Veranstaltungen umfangreich bewerben und würden uns natürlich sehr freuen, wenn es auf ein breites Interesse stößt. Darüber hinaus werden wir auch viel Netzwerkarbeit betreiben. Ein anderer Ansatzpunkt könnten Firmen sein, in denen viele ältere Arbeitnehmer*innen arbeiten.

I: Würde das denn bedeuten, dass jemand sagt: Ich würde mir gerne die ganze Vortragsreihe anhören und dann bekommt er eine Mitgliedskarte, oder wie soll das gehen?

LM: Im Prinzip schon. Unser Angebot soll so attraktiv sein, dass Personen, die sich in der Umbruchsphase vom Arbeitsleben in den Ruhestand befinden, für verschiedene Veranstaltungen bei uns interessieren. Wenn sich jemand aber nur für bestimmte Bereiche interessiert, findet sich auch eine Möglichkeit.

I: Sie meinen also die Übergangsphase. Das man versucht die Menschen da abzuholen, wo sie sozusagen vor der Situation stehen jetzt den totalen Lebensbruch zu haben. Diese Situation kommt ja häufig vor.

LM: Ja, genau. Es gibt keine starre Grenze. Jeder setzt sich zu einem anderen Zeitpunkt mit dem Ruhestand auseinander bzw. hat spezifische Fragen dazu. Wir schließen niemanden aus, der Fokus liegt aber tatsächlich bei Personen, die zeitlich kurz vor oder kurz nach dem Rentenbeginn stehen.

I: Man muss ja die Menschen eigentlich vor dieser Veränderungssituation erreichen.

LM: Ja, es ist sicherlich oft hilfreich, wenn man sich frühzeitig auf diese Veränderung vorbereitet. Zum Beispiel deshalb denken wir ja auch darüber nach in Firmen auf unser Projekt aufmerksam zu machen. Allerdings ist es auch gut denkbar, dass Menschen erst nach einiger Zeit im Ruhestand feststellen, dass sie wieder neue Strukturen und Aufgaben benötigen. Deshalb kann unser Projekt auch für Personen interessant sein, die vielleicht schon einige Jahre nicht mehr arbeiten.

I: Sich mit Firmen in Verbindung zu setzen, ist sicherlich sinnvoll, um einfach Menschen schon bereits abzuholen bevor das Ereignis eingetreten ist.

LM: Genau. Firmen zu kontaktieren, ist angedacht. Das wird jedoch nicht von heute auf morgen gehen, aber perspektivisch wäre es wünschenswert. Und ja, primär möchten wir Leute vor dem Ruhestand erreichen. Aber letztendlich können die Wege zu uns sehr vielfältig sein. Es gibt ja zum Beispiel auch Personen, die zunächst ihre Rentenzeit gut füllen können und dann nach einigen Jahren sagen: Ich bin jetzt gereist und habe mir einige Wünsche erfüllt, nun brauche ich aber wieder etwas, was den Alltag ein bisschen mehr strukturiert. Für so eine Person könnte unser Projekt dann auch nach Rentenbeginn interessant sein. Also von daher ist es nicht so ganz strikt. Die Informationen, die man bei uns bekommt, können zu verschiedenen Zeitpunkten im Ruhestand hilfreich sein.

I: Wie wollen Sie denn erreichen, dass viele Menschen bei Ihnen teilnehmen?

LM: Grundlegend denke ich, dass in den nächsten Jahren ein großes Interesse besteht, da einfach mehr Menschen in den Ruhestand gehen werden. Ein Stichwort ist hier der demografische Wandel. Ich nehme an, dass es viele Menschen gibt, die sich mit der neuen Lebensphase Ruhestand auseinandersetzen möchten. Natürlich ist es aber wichtig, dass wir unser Angebot niedrigschwellig gestalten. Wir wollen unser Angebot regelmäßig anbieten und auch in die Quartiere gehen. Denn für einen Vortrag fährt man nicht unbedingt durch die halbe Stadt und teilweise gibt es ja auch finanzielle Barrieren dafür.

Dennoch basiert unsere Idee letztendlich auf dem Interesse der Menschen, die sagen: Ja, ich möchte einige Male am „roten Faden“ teilnehmen, um dann auch für mich selbst das Gefühl zu haben, ich habe mich damit beschäftigt, auseinandergesetzt und habe jetzt was an der Hand, womit ich weitermachen kann und ich weiß wo ich mich engagieren kann.

Auch kann es sein, dass man bei uns neue Bekanntschaften schließt, denn wir als Projekt möchten gerne weiterhin die Bildung von Tandems oder Kleingruppen unterstützen.

I: Was heißt das genau?

LM: Die Tandembildung knüpft an unsere Idee des Projektes „Gia – Gemeinsam aktiv im Ruhestand“ an. Wir wollten einfach zwei Menschen zusammenbringen, die gemeinsam kulturelle Veranstaltungen besuchen, wobei es dabei auch um gegenseitige Unterstützung ging. Wenn eine Person gewisse Einschränkungen hatte – zum Beispiel sich körperlich nicht mehr zutraute längere Wege zurückzulegen oder auch öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen – sollte dies durch die Begleitperson ausgeglichen werden, die etwas Sicherheit und Orientierung bietet.

I: Spannend. Ich wüsste jedoch gern noch etwas zum Kärtchen.

LM: Bei dem Kärtchen ist angedacht, dass dies eine Art Teilnahmekarte ist, auf der man abgestempelt bekommt, wenn man an einer Veranstaltung teilgenommen hat. So wollen wir den Menschen auch zeigen, dass sie an „ihrem roten Faden“ arbeiten und sich auch ein stückweit bei uns weiterbilden. Man könnte uns auch als kleines Bildungsprojekt sehen.

I: Ja, das finde ich auch gut. Die Frage ist ja nur, wie kann man dafür sorgen, dass die Menschen da auch dranbleiben? Das war jetzt mein Gedanke.

LM: Also das wird man sehen. Die Hoffnung ist natürlich, dass es von den Menschen selbst das Interesse gibt, dass sie diese verschiedenen Bereiche hören wollen und dass sie an verschieden Aktionen teilnehmen möchten. Es wird aber auch so sein, dass wir jedes Mal am Ende einer Veranstaltung sagen: Das gibt es in den nächsten Wochen, kommen Sie doch dann gerne wieder. Sofern möglich möchten wir mit unseren Teilnehmenden natürlich in einem gewissen Austausch bleiben, um sie so auf ihrem Weg zu begleiten.

Eine weitere Option ist es, dass man alle wesentlichen Informationen zeitlich gebündelt präsentiert. Dies bietet sich vielleicht in Firmen an oder wenn man sagt, dass man mal für eine gewissen Zeitraum in einem Stadtteil besonders präsent ist.

I: Ich erinnere mich, dass unsere Krankenkasse damals mal so was angeboten hat, also auch beim Übergang in den Ruhestand. Ich weiß aber nicht, was sie für Erfahrungen gemacht haben. Vielleicht kann man da noch mal horchen. Wie sind eigentlich die Erfahrungen aus solchen Veranstaltungen. Ich denke, es ist wichtig: Erstens, wie werbe ich? Wie komme ich an die Leute ran? Dann wie halte ich die? Die Frage, was man da eigentlich anbietet. Das ist, glaube ich, das kleinere Problem.

LM: Ja, stimmt schon. Ich denke viel vom Inhaltlichen aus, also auch jetzt, wie ich es vorgestellt habe. Aber klar, ein Knackpunkt ist, wie komme ich an die Leute ran? Das ist ganz zentral und da müssen wir uns ganz breit aufstellen und an verschiedensten Orten Werbung machen, bei verschiedensten Zielgruppen. Es bedarf viel Zeit und Energie für sich zu werben, bevor man mit der eigentlichen Arbeit anfängt. Auch müssen wir mit unseren ersten Veranstaltungen, insbesondere mit den Überblicksvorträgen überzeugen, damit die Leute dranbleiben.

I: Das ist wahr, dann muss man sich nochmal rantasten. Wahrscheinlich.

LM: Ja, das stimmt. Wir müssen uns etwas rantasten und auch einfach einige Erfahrungswerte sammeln. An dieser Stelle möchte ich gerne noch kurz unsere Kooperationspartner hervorheben. Neben der Seniorenvertretung kooperieren wir mit den AWO-Dienstleistungszentren, die ja die sogenannte Nachbarschaftshilfe anbieten. Sowohl für einige der ehrenamtlichen Nachbarschaftshilfen, als auch für einige der Kund*innen könnte unser Angebot spannend sein. Weiterhin kooperieren wir mit dem AWO-Projekt „Universität der 3. Generation“, wo wir auch große Überschneidungen in den Zielgruppen sehen. Darüber hinaus kooperieren wir mit der Tafel Bremen, mit den Begegnungszentren des Vereins „Aktive Menschen Bremen“ und auch mit der Stadtbibliothek Bremen. Mit letzterer ist der Gedanke verbunden, dass man auch die Menschen in den Stadtteilen erreicht, denn die Bibliothek ist ja in vielen Bremer Quartieren präsent und ist an manchen Stellen weit mehr als nur eine Bibliothek. In Gröpelingen sind ja z.B. viele Institutionen in der Bibliothek präsent.

I: Dabei denke ich, das ist dann auch ein bisschen in die Richtung der Migrant*innen geöffnet, vermute ich mal. Das ist ja sicherlich gerade in diesem Stadtteil ein Thema.

LM: Genau. Auch wir wollen dafür sein. Wir möchten verschiedenste Zielgruppen ansprechen. Das beinhaltet natürlich auch Migrant*innen. Wir überlegen an speziellen Vorträgen, die dann ggf. auch übersetzt werden. Das wird jetzt nicht der große Schwerpunkt sein, aber es ist halt denkbar, dass man sich phasenweise bestimmten Communitys, bestimmten Stadtteilen etc. zuwendet.

I: Wie ist denn der aktuelle Stand? Wird es bald losgehen?

Derzeit befinden wir uns noch in der Phase der Konzeption. Die Planungen laufen aber intensiv. Wir werden im April und Mai mit einigen Veranstaltungen starten. Es wird auf jeden Fall auch ein Programm geben, in dem wir die Veranstaltungen der kommenden Zeit ankündigen. Ebenso wollen wir bald einen Flyer vorliegen haben.

I: Also, Herr Matzner, dann danke ich ihnen für das Interview.

Das Interview wurde geführt von Michael Breidbach

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