Null – Weiß

Die Zeit anhalten, innerlich alles auf Null stellen, dem Widerstand, der sich aufbauen will, alle Willenskräfte entgegensetzen, aushalten, nur nicht nachgeben, sich quasi in dieses Boot einer Null hineinlegen und selber Null werden:

„Ich bin nicht da und dann doch wieder…“ – diesen Prozeß so recht durch sich hindurchwirken lassen, ihn ebenfalls anhalten, langsam in die Realität zurückkommen. Nicht wie vorher, nein, irgendwie „Weiß“. Herrlich: „Weiß wie ein unbeschriebenes, unbemaltes Blatt“. Welche Aussichten, welche sich nach vorne hin ergebenden Möglichkeiten, welcher Neuanfang auf der Grundlage von Gelebtem, Erlebtem!

Einmal so recht nichts wollen, um wieder wirklich wollen zu können. Die ganzen Einfärbungen aus und von sich löschen, lohnende Mühe. Könnte man es abwaschen, würde man sich über das schmutzige Wasser wundern, so aber muß man es mit geschlossenen Augen einfach weiß werden sehen. Welche Achtung vor diesem Weiß wird sich einstellen, es wird aufmunternd und doch auch wieder zu Zurückhaltung auffordernd zu einem sprechen. Sitzt man dann vor diesem Weiß, stellt sich die Ehrfurcht vor zu Schöpfendem ein und sie läßt den Schöpfer in uns erstarken.
Um dies auszuhalten, muß viel vorangegangen sein, das nicht nur dem Weiß zugewandt werden läßt, auch in gewissem Sinne einen weisen Menschen erfordert.
Wo anders und wie als in der Stille und Zurückgezogenheit läßt sich dem Weiß und Weise-Werden auf die Spur kommen? Es braucht wirklich einen starken Willensimpuls und vorher überhaupt eine Einsicht. Die Aussicht gar nicht erst hochkommen lassen, die will sich zeitgemäß immer einschleichen.

Aus ist anders als ein. Ein heißt Befruchtung willkommen heißen, aber nicht jede und nicht um jeden Preis. Warten können, geistesgegenwärtig sein wollen und geschehen lassen. Dabei voll aktiv und überhaupt nicht träge. Sich dem Sein im Sinne des „Ich bin“ nähern, um den nur von einem selbst möglichen Beitrag in die Menschheit gebären zu können.

Einheit in der Vielfalt, wie herrlich fühlt das sich an. Es ist in der Kunst eher hinzubekommen als im gelebten Alltag, möglich bleibt jedoch alles.

Elisabeth Kriechel, 05.01.2015