Im Mittelpunkt der Mensch ? – Schön wär´s!

mehrere Rollstühle

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„Focus-Spezial“ veröffentlicht in der Ausgabe „Leben und Wohnen im Alter“ von Nov./Dez.2014 eine Liste der 856 Top-Pflegeheime in Deutschland.

„Im Mittelpunkt der Mensch“ lautet die Überschrift eines Beitrags im „Focus-Spezial“ von Nov./Dez.14. Diese Ausgabe widmet sich dem Thema „Leben und Wohnen im Alter“ und bringt auf 35 Seiten (S.93-128) unter anderem mit einem kleinen Vorspann eine Focus-Liste der 856 Top-Pflegeheime in Deutschland, für die 1.800 Heimleiter und Pflegeexperten ihre persönlichen Empfehlungen ausgesprochen haben. In die Basis-Liste fanden nur Heime Aufnahme, die mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllten:

  1.  Sie hatten bei der letzten Qualitätsprüfung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassenversicherung (MDK) im Jahr 2013 eine Gesamtnote von 1,0 erzielt („Focus-Spezial“, Nov.Dez.14, S.93). Dabei begutachtete der MDK die Pflege und medizinische Versorgung, den Umgang mit Demenzkranken, die soziale Betreuung und Alltagsgestaltung, Verpflegung, Hauswirtschaft und Hygiene.
  2. Das Heim ist mit einem „Grünen Haken“ gekennzeichnet. Dieses Gütesiegel wird von der Initiative heim-verzeichnis.de für das Bemühen um Selbstbestimmung, soziale Teilhabe und Menschenwürde verliehen.

Das Vorgehen
4.614 Pflegeheime wurden ausgewählt, und man bat deren Heimleitungen um Referenzen zu anderen Heimen. Jeder durfte bis zu fünf Heime beurteilen. Das eigene Heim konnte nicht empfohlen werden, aber immerhin kamen von 1.783 beteiligten Heimleitungen 9.210 gültige Empfehlungen. Zusätzlich wurden 300 Pflegeexperten aus sogenannten exzellenten Kliniken und Pflegestützpunkten befragt. Sie durften nach persönlichen Einschätzungen jeweils vier Häuser auswählen. Einrichtungen, deren Zielgruppe im „Focus-Spezial“ keine Relevanz hat, zum Beispiel Wachkomapatienten, fanden keine Berücksichtigung. „Focus-Spezial“ weist darauf hin, dass mit dieser Liste die Qualität der nicht erfassten Einrichtungen nicht angezweifelt werde.

Die Zweifel
Ist das nicht eine überzeugende Auflistung von sehr guten Pflegeheimen? Allein die Tatsache, dass man sich auf Gutachten der Heimleiter und der Pflegeberater aus Krankenhäusern stützt, die zu ihren Trägerschaften und Arbeitgebern in Abhängigkeit stehen und selbstverständlich nicht nur ihre eigenen, sondern auch die Interessen ihrer Kollegen und Geschäftspartner vertreten, hat doch wohl mehr als ein Geschmäckle. Was soll denn dabei herauskommen, wenn zum Beispiel die Heimleiter/-innen eines Pflegekonzerns mit 40 oder mehr Heimen sich gegenseitig beurteilen? Eine glaubwürdige Beurteilung? Auch die Tatsache, dass sich Pflegestützpunkte an der Aktion beteiligt haben, gibt zu denken. Ihre Aufgabe ist eigentlich eine neutrale Beratung und nicht die Beurteilung von Dienstleistern.

Für Bremen werden in dieser Topliste 8 von insgesamt 108 Bremer Heimen aufgeführt (vgl. Älter werden in Bremen, 2013/14, S.96ff). Darunter ist auch ein Heim, mit dem die Bremer Seniorenvertretung in der letzten Zeit ziemliche Differenzen hatte, weil mehrere ernsthafte Beschwerden vorlagen.

Man kann es der Bremer Seniorenvertretung nach ihren Erfahrungen und aufgrund
der vielfältigen Presseberichte, die in den letzten Jahren über fragwürdige Geschäftspraktiken und Umgangsformen in deutschen Altenwohn- und -pflegeheimen veröffentlicht wurden, nicht verübeln, wenn sie die Bremer Seniorinnen/Senioren warnt, diese Liste ernst zu nehmen. Und wenn „Focus-Spezial“ selbst darauf hinweist, dass durch diese Liste die Qualität der nicht erfassten Einrichtungen nicht angezweifelt werde, fragt man sich, wozu die Liste dann noch gut sein soll? Für die Bremer Seniorenvertretung unterstützt sie lediglich die Werbung bestimmter Heime und hat für den „Focus-Spezial“ sicher zu einem erhöhten Umsatz beigetragen.

Aber ein Beweis dafür, dass im Mittelpunkt der Pflegepraktiken der Mensch steht, ist sie noch lange nicht. Ein Beweis wäre der Rückgang der Beschwerden und das Wachstum der Zufriedenheit betroffener Menschen.

 

Gerd Feller, 02.12.2014