“Als das Brot knapp war……“

Nachtrag zum 08.Mai (Tag der Befreiung)

 

(Ein Bericht aus meiner Kindheit)

Ich wurde 1935 geboren. Als das Brot sehr knapp wurde, war der Krieg zu Ende. Ich war damals 10 Jahre alt. Aber die Erlebnisse im Krieg waren genauso schlimm. Wir waren drei Geschwister zu Hause. Unsere Mutter war mit uns alleine, da unser
Vater ja Soldat war. Immer, wenn Fliegeralarm war, meistens war das nachts, wurden wir geweckt und mussten in den Schutzraum. Der Schutzraum war entweder der Keller oder wir liefen in den Bergwerkstollen. Denn wir lebten im Ruhrgebiet. Zum Stollen hatten wir aber noch 15 Minuten zu laufen. Einmal fuhr ich mit meiner Mutter auf dem Gepäckträger ihres Fahrrades, als die Tiefflieger kamen und uns beschossen.
Meine Mutter fuhr in den Graben, und ich hoffte, nicht getroffen zu werden.
Wenn wir im Keller waren, haben die alten Männer auf die Bomben draußen gewartet und haben gesehen, wie die Bomben in den Flugzeugen ausgelöst wurden. Dann kamen sie auch in den Keller. Hier merkten wir die Einschläge. Das Haus wackelte.
Wenn kein Alarm war, haben wir im Garten gespielt. Das war sehr spannend, denn hier
waren Schützengräben gegraben. Die Schützengräben dienten zur Landesverteidigung, aber es hat kein Soldat das Land verteidigt.
Im Anbau des Hauses waren Waffen und Munition gelagert, wie z.B. Panzerfäuste. Diese wurden, dies erzählte mir mein Bruder Horst, nach dem Krieg im Garten vergraben.

Das Kriegende habe ich so erlebt. Wir kamen aus dem Stollen nach Hause. Aber hier trafen wir die Amerikaner, die einige Häuser besetzt hatten. Für uns Kinder war
die Besatzungsmacht gar nicht so schlimm. Denn die Amerikaner mit ihren Amphibienfahrzeugen hatten für uns immer Schokolade, Brot aus Dosen oder Kaugummi. Für die Frauen waren die Besatzungssoldaten manchmal gefährlich. Oder aber die Frauen ließen sich von den Soldaten ansprechen, in der Hoffnung, mit Lebensmitteln bezahlt zu werden. Wer einen Garten hatte, war gut dran. Wir hatten einen.
Nachdem die Schützengräben wieder zugeschaufelt waren, konnten wir sogar Getreide anbauen. Wer keinen Garten hatte, ging nach der Ernte auf das Feld beim Bauern und
‚ ‚ stoppelte‘ ‚ Das heißt: Man sammelte die liegengelassenen Ähren auf. Die Körner wurden in der Kaffeemühle zu Mehl gemahlen. Auch Kartoffeln wurden nach der Ernte gesucht. Das Brot war knapp, aber man war erfinderisch. Das Maisbrot war klitschig.
Aber wir haben dafür Schlange gestanden. Es konnte passieren, dass wenn man drankam, kein Brot mehr da war.
Auch die Steckrübe war ein beliebtes Essen. Jeder hatte sein Kaninchen, dass mit den Abfällen gefüttert und zu Weihnachten geschlachtet wurde. Aber das wir nicht verhungert sind, lag auch größtenteils an den Care-Paketen. In der Schule wurde von den Müttern jeden Tag ein Mittagessen gekocht. “Die Schulspeisung‘ ‚ . Schule? Wir hatten, nachdem unsere Schule ausgebombt war, ein Jahr lang keine Schule und keinen Unterricht.
Sonst gab es nur eine vierklassige Volksschule, die aus zwei Fliegerbaracken bestand. Gehamstert hat unsere Mutter nicht. Das war ihr mit drei Kindern nicht möglich.
Da sie eine zutiefst christliche Frau war, hat sie die Kohlen, die zum Heizen notwendig waren, nicht geklaut, sondern die Kohlen, die am Bahndamm lagen, mit uns aufgesucht. Es war für uns eine schwere Zeit. Ich wünsche sie keinem. Aber aus dieser Zeit haben wir auch gelernt, dass Lebensmittel nicht verderben dürfen. Das nichts weggeworfen werden darf. Wir haben auch gelernt, bescheiden und sparsam leben zu können.
Auch in der Überflussgesellschaft.

Friedhelm Dreiucker

  3 comments for ““Als das Brot knapp war……“

  1. Barbara Matuschewski sagt:

    Ihre Erzählung und Erinnerung habe ich mit Interesse gelesen und es kamen längst vergessene Bilder hoch….
    Ich gehöre auch zur Generation der Kriegskinder, die bis heute keine Lebensmittel wegwerfen kann,
    gelernt hat, aus wenig viel zu machen. Bin auch in einer Zwergschule, Klasse 1 bis 4 gegangen und fand das sehr spannend, habe mit anderen Kindern Bucheckern gesammelt und Schafwolle von den Zäunen, und wir Kinder waren stolz, auch etwas im Tausch beizutragen und dafür Speiseöl und Brot zu bekommen, manchmal auch ein Stück Schokolade. Als Flüchtlinge aus dem Osten haben wir zudem noch ganz viel Solidarität erlebt !
    Es war Krieg, Nachkriegszeit, Chaos und wir, unsere Generation hat dann 76 Jahre Frieden erleben dürfen, Sicherheit und Wohlstand., Arbeit und Leben.
    Ich wünsche mir, dass die jetzige junge Generation weiter angstfrei in Frieden leben kann, genug für ALLE da ist,
    um gut zu leben
    .

  2. Kira sagt:

    Was aber bleibt,
    ist die Angst
    vor einem neuen Krieg !

  3. Waltraut Boschen sagt:

    Ja , was die Erinnerungen uns sagen wollen , ist doch : Nie wieder Krieg ! Aber in unserer Welt leben Flüchtlinge schon Jahre in Flüchtlingslagern , Kinder werden darin groß , haben nicht die geringste Chance so wie wir zu leben , kennen keine Sozialhilfe , keine staatliche Unterstützung , können von Glück sagen , wenn sie zu trinken und zu essen bekommen , ist es da nicht angesagt , dankbar zu sein für jeden Tag , den wir in Deutschland frei leben können ? Dennoch wird immer und immer wieder gejammert , genug ist nicht genug . Ich bin bald 84 , dankbar , dass ich das überhaupt werden konnte . Ich kann mir keine großen Sprünge leisten , na und ?Aber ich habe ein Dach über dem Kopf , kann mich satt essen , ja , sogar noch etwas abgeben ,bekomme jederzeit ärztliche Hilfe , wenn ich sie brauche .
    Nichts ist selbstverständlich mehr , geht der Blick zu den Menschen , die nur ihr nacktes Leben haben , und das in einer Welt , wo Reiche immer reicher werden , das ist einfach unerträglich !

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