DGB Position: Corona-Krise und Seniorinnen/Senioren

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Kontaktbeschränkungen für Menschen über 60

In der aktuellen Debatte über die schrittweise Aufhebung der aktuellen Einschränkung auf Grund der Corona-Pandemie wird verschiedentlich über mögliche Einschränkung für Menschen über 60 Jahre diskutiert, da diese doch besonders gefährdet seien – insbesondere im Hinblick auf weitere Kontaktbeschränkungen für diese Altersgruppe, während es für jüngere Menschen ungefährlicher sei und diese sich deshalb freier bewegen könnten. Solche Überlegungen sind deutlich zu kritisieren und entschieden zurückzuweisen – sie sind altersdiskriminierend und gefährden den Zusammenhalt von jungen und älteren Menschen in dieser Gesellschaft. Auch werden solche Kriterien der realen differenzierten Gefährdungslage nicht gerecht.

Recht auf Teilhabe

Auch in Zeiten von Corona gilt, dass alle Menschen das gleiche Recht auf Teilhabe am öffentlichen und gesellschaftlichen Leben haben. Einschränkungen sind insoweit, auch nach Infektionsschutzgesetz, nur angemessen für (potentiell) Infizierte, aber nicht für altersabgegrenzte Personengruppen, die nicht erkrankt sind. Die gefährdeten Personen besonderer Bewegungs- und Freiheitsbeschränkungen zu unterwerfen, erscheint auch deswegen unangemessen, da diese keinen gruppenspezifischen Beitrag zur Verbreitung der Infektion leisten, sondern sie nur in ihrer persönlichen Gesundheit besonders gefährdet sind. Die eigene Entscheidung über das Maß der (Selbst-)Gefährdung steht den älteren aber in gleichem Maße wie den jüngeren Menschen zu. Deshalb dürfen ältere Menschen in keiner Weise benachteiligt werden – sei es durch spezifische Ausgangsbeschränkungen oder in der medizinischen und pflegerischen Versorgung.

Sonderregelungen?

Unstrittig ist, dass die Ansteckungsgefahren für alle Menschen gleichermaßen gegeben sind und deshalb Hygiene- und Abstandsregelungen auch weiterhin zu beachten sind. Dieses gilt auch und besonders für die Arbeitssituationen, in denen beispielsweise die Abstandsregeln faktisch weniger strikt gelten. Unterschiede gibt es nach aktuellem Kenntnisstand bezüglich der Häufigkeit schwerer Verläufe der Erkrankung oder Risiken für bestimmte Personengruppen insbesondere Vorerkrankte. Eine bestimmte Altersgrenze aber pauschal als Unterscheidungskriterium zu sehen, wird der Sachlage individueller Gefährdung daher nicht mal im Ansatz gerecht. Überlegungen zu Sonderregelungen für Ältere vernachlässigen auf jeden Fall, dass die aktuelle Grenze für den Renteneintritt bei 65 Jahren und 9 Monaten liegt. So stellen über 60Jährige einen relevanten Teil der Belegschaften in Betrieben und Verwaltungen. Weiterhin arbeiten zahlreiche Bezieherinnen/Bezieher von Alterseinkünften zusätzlich teilweise in prekären Nebenbeschäftigungen – was ebenfalls oftmals auch zum reibungslosen Funktionieren von Arbeitsabläufen beiträgt. Auch sind viele Ältere selbstständig tätig und soweit auch auf dieses Einkommen angewiesen. Insoweit würde eine solche Beschränkung lediglich für Ältere ohne Erwerbstätigkeit tatsächliche Wirkung entfalten, sofern in ihrem Haushalt keine jüngeren und/oder erwerbstätigen Personen leben.

Ehrenamtliche Arbeit

Auch bei der ehrenamtlichen Tätigkeit tragen Ältere viel zum Gelingen bei – auch dieser Teil des Funktionierens für ein gutes gesellschaftliches Zusammenleben würde empfindlich beeinträchtigt. Gerade auf diesen Aspekt ist aus Sicht der gewerkschaftlichen Seniorenpolitik besonders hinzuweisen. Gilt es doch bei einem Wiederanfahren des wirtschaftlichen Lebens auch in diesen Bereichen für einen ausreichenden Gesundheitsschutz zu sorgen. Im Fokus hat hier also ein besonderes Schutzrecht für besonders gefährdete Personen jeden Alters zu stehen und keine besondere Beschränkung ihrer Freiheitsrechte.

Besuchsregelungen!

Die Situation in Alten- und Pflegeheimen sowie bei der ambulanten Pflege wie auch bei der Pflege durch Angehörige erfordert unbedingt eine besondere Aufmerksamkeit. Hier gilt es vor allem, den akuten Mangel an Schutzausrüstungen umgehend zu beseitigen, dieses gilt vor allem für das Pflegepersonal. Außerdem müssen sinnvolle Besuchsregelungen erarbeitet werden, gerade auch um die Einsamkeit der betroffenen Menschen zu lindern, aber auch um Seelsorge und Trost spenden zu können.

Quelle: Deutscher Gewerkschaftsbund, Bundesvorstand, Abteilung Sozialpolitik

  3 comments for “DGB Position: Corona-Krise und Seniorinnen/Senioren

  1. Hedwig sagt:

    Eine meiner Freundinnen hat sich vor kurzen in eine teure Senioren-„Residenz“ eingemietet. Gestern wollte ich sie besuchen. Ich musste an einem Fenster klopfen, worauf dieses geöffnet wurde und eine Frau mir erklärte, dass ich nicht in das Haus dürfe. Nur eine einzige Person dürfe Besuche machen. Es müsse immer dieselbe sein und sie müsse eingetragen werden. Wohl gemerkt: Meine Freundin ist kein „Pflegefall“. Sie ist Mieterin einer abgeschlossenen Wohnung innerhalb dieser Einrichtung. Ich finde diese Maßnahme unverhältnismäßig.

  2. Elisabeth Kriechel sagt:

    Das geht gar nicht! Wir Älteren halten uns an die Vorschriften, gefährden so andere nicht und dann diese
    quasi Wegsperrung, da gefährdet.
    Wenn sich das einschleicht, sind wir nur noch gut, um zu bezahlen, aber ja kein Recht beanspruchen.
    Wir müssen gleich den allerersten Anfängen entgegenstellen, daß wir mündige Bürger sind und bleiben und
    auch entscheiden wollen, mit wem wir umgehen, unter Einhaltung eben der zur Zeit gültigen Vorschriften.
    Ich bin schon 30 Jahre Mitglied im VDK, sind wir nicht fast 20 Millionen Rentner, stärken wir den VDK, werden wir da Mitglied, um auch eine Lobby zu haben. Natürlich bin ich dafür, nun nicht Sortierungen anzufangen, wenn es aber nicht anders geht, schließen wir uns zusammen. In keinem Heim, solange geistig klar, und dann vor allem noch kein Pflegefall, eben nur betreut wohnend, geben wir mit Einzug unser Recht auf Selbstbestimmung ab.
    Elisabeth Kriechel

  3. Monika Sattelberg sagt:

    Die Formulierung: „Die gefährdeten Personen besonderer Bewegungs- und Freiheitsbeschränkungen zu unterwerfen, erscheint auch deswegen unangemessen, da diese keinen gruppenspezifischer Beitrag zur Verbreitung der Infektion leisten, sondern sie nur in ihrer persönlichen Gesundheit besonders gefährdet sind.“ bringt es auf den Punkt.
    Lockerungen ja, sinnvoll und mit Bedacht eingesetzt im Sinne der Gesunderhaltung eines jeden Menschen, physisch und psychisch, aber nicht um jeden Preis. Wie gefährlich ein gruppenspezifisches Verhalten, hinsichtlich der Virusausbreitung ist, davor warnen derzeit die Experten. Ich plädiere für ein gleiches Recht für alle, aber angemessen!

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