(17) Bremer Mutmacherin: Doris Achelwilm

(c)Die Linke

Liebe ältere Menschen im Land Bremen,

vielen Dank für die Einladung und Gelegenheit, Euch und Ihnen einige Zeilen in dieser Zeit zukommen zu lassen. Es ist wichtig, weiter in Kontakt zu bleiben, sich auszutauschen und voneinander zu hören, und die Mutmach-Briefe sind da eine hervorragende Idee!

Pflege auskömmlich finanzieren!

Seit die Eindämmung der Corona-Pandemie auch in Deutschland die Politik bestimmt, sind inzwischen über zwei Monate vergangen, das ist eine lange Zeit. Meine Termine und Veranstaltungen sind allesamt ins Internet oder aufs Telefonieren verlegt. Im Bundestag haben Tempo und Handlungsdruck deutlich zugenommen, auch für Mitglieder der Opposition, zu der ich als Abgeordnete der Linksfraktion gehöre. Rettungsschirme und Hilfsmaßnahmen wurden im Rekordtempo aus dem Boden gestampft, Milliarden freigegeben, die vorher nicht da waren. Wir haben in Deutschland die glückliche Lage, dass das Gesundheitssystem, das auch hier über Jahrzehnte nicht auskömmlich finanziert wurde, dem Druck standhält – zu danken ist da insbesondere den Pflegekräften, die trotz Personalmangel und Dauerstress alles geben. Aber es wird wirklich Zeit, sie dafür auch besser zu bezahlen, ihre Bedingungen grundsätzlich zu verbessern. Zu den größten Erkenntnissen der Krise gehört schon jetzt, dass die Gesundheitsversorgung ausnahmslos für die Menschen und ihre Bedürfnisse da sein muss. Mit Kolleginnen und Kollegen setze ich mich jeden Tag dafür ein, dass diese Forderung in die Realität umgesetzt wird.

Hilfsprogramme

Wir arbeiten unter Hochdruck daran, dass niemand durch die Raster der wirtschaftlichen Hilfsprogramme fällt, der oder die auf Unterstützung angewiesen ist. Es braucht aber auch mehr Aufmerksamkeit für Menschen, die alleine in Wohnungen oder ohne Angehörige in Pflegeheimen leben, die ihre Enkelkinder aktuell nicht sehen, die sich nicht mehr mit der Technik von heute vertraut machen können und deshalb auf nötigen Austausch verzichten müssen.

Eltern

Diese Situation ist mir politisch und privat gut bekannt und ich setze mich mit ihr intensiv auseinander. Meine Eltern leben in Niedersachsen auf dem Land ohne Internet, sind inzwischen 80 und 75 Jahre alt, und können ihre sozialen Routinen zwischen Kirche, Gemeinschaftsfahrten und Nachbarschaftstreffen aktuell nicht mehr wahrnehmen, obwohl sie ansonsten fit genug dafür sind. Sie müssen trotz unserer Telefonate vieles mit sich ausmachen, weil ihre Kinder woanders leben. Auch für sie war das plötzliche Aus von Besuchen und Kontakten, das plötzliche Gebot, dass Menschen einander aus dem Weg gehen sollen, ein schwerer Einschnitt. Inzwischen habe ich meine Eltern an einem Sonntag mit viel Abstand, Maske und Handschuhen wieder besucht. Dahinter stand eine längere Abwägung, weil ich den Infektionsschutz ernst nehme und meine Eltern nicht gefährden will. Gleichzeitig habe ich mit meinen Schwestern entschieden, dass sich unter den nötigen Vorsichtsmaßnahmen gesehen und gesprochen wird. Auch als Versicherung, dass es weiter Augenkontakt, Nähe und eine neue Normalität gibt, die trotz allem sensibel und offen für zwischenmenschliche Bedürfnisse ist. Der Besuch war eine wichtige Entscheidung, weil er Ungewissheiten aufgeklärt und beruhigt hat. Weil er versichert hat: Wir kommen gemeinsam durch diese Zeit.

Schutz und Menschlichkeit

Ich bin keine Medizinerin oder Virologin, aber eine Verfechterin von Regelungen, die getroffen werden müssen, um gerade die gesundheitlich verwundbarsten Mitglieder unserer Gesellschaft zu schützen. Gleichzeitig finde ich, dass politisch und gesellschaftlich dafür Sorge getragen werden muss, wie wir mit Situationen der Einsamkeit oder Angst umgehen. Wie wir Menschlichkeit organisieren, wenn es ausgerechnet ein Akt der Umsicht, Solidarität und Gesundheitsvorsorge ist, räumlich auf Distanz zu gehen.

Es wird wieder besser!

Gerade für ältere und alleinstehende Menschen ist es aktuell unerlässlich, dass es ehrenamtliches Engagement, Familien und Nachbarschaften gibt, dass sie ein Umfeld haben, das erreichbar ist, hilft und unterstützt. Dass die Seniorenvertretung Bremen zu diesem Umfeld gehört und unter diesen Gegebenheiten leistet, was geleistet werden kann, verdient große Anerkennung. Ich danke Euch und Ihnen für die Arbeit und den Zusammenhalt und wünsche uns allen, dass wir weiterhin gesund, solidarisch und so aktiv wie möglich durch diese Zeit kommen. Und über sie hinweg, es wird wieder besser.

Mit herzlichen Grüßen aus Berlin, Ihre

Doris Achelwilm

(MdB, Fraktion „Die Linke“)

„Bremer Mutmacher“ ist eine Aktion der SeniorenVertretung in der Stadtgemeinde Bremen zusammen mit Stadtportal Bremen

Bisher bei „Bremer Mutmacher“ (mit einem Klick):

(1) Frank Imhoff, 3.4.2020

(2) Dr. Andreas Bovenschulte, 5.4.2020

(3) Elena, 6.4.2020

(4) Carsten Meyer-Heder, 9.4.2020

(5) Dr. Kirsten Kappert-Gonther, 11.4.2020

(6) Christian „Stolli“ Stoll, 13.4.2020

(7) Willi Lemke, 18.4.2020

(8) Melanie, 20.4.2020

(9) Mustafa Güngör, 22.4.2020

(10) Thomas Röwekamp, 24.4.2020

(11) Elisabeth, 26.4.2020

(12) Dr. Henning Scherf, 28.4.2020

(13) Lencke Wischhusen, 30.4.2020

(14) Björn Fecker, 2.5.2020

(15) Sofia Leonidakis, 4.5.2020

(16) Michael Keller, 6.5.2020

  1 comments for “(17) Bremer Mutmacherin: Doris Achelwilm

  1. Monika Sattelberg sagt:

    Danke Frau Achelwilm für Ihren Beitrag. Es hat mich gefreut zu lesen, wie sie mit Ihren Eltern umgehen in dieser Zeit. Das hätte ich genauso gemacht, aber meine Eltern leben beide nicht mehr – unsere Kinder wohnen weit weg. Mein Mann und ich leben in einem Mehrfamilienhaus und unsere Hausgemeinschaft funktioniert bestens. Wir reden mit Abstand im Treppenhaus oder telefonieren. Da unsere Mitbewohner älter sind als wir, helfen wir, wo immer es uns möglich ist. Jeder von uns hält sich an die Empfehlungen der Verantwortlichen im Gesundheitswesen. Wir können das Verhalten dummer, egoistischer Menschen nicht verstehen, die alles ignorieren und sogar provozieren. Eine Bekannte arbeitet auf einer Intensivstation und hat uns geschildert, wie Menschen mit höchster Atemnot um ihr Leben ringen und es manchmal nicht schaffen… Was ist bloß los? Die Alten verstehn die Welt nicht mehr…ich auch nicht angesichts der Tatsachen. Das macht, denke ich vielen berechtigte Zukunftsangst.

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