Über den Tellerrand geschaut

Hospizarbeit, Zwei Hände halten eine andere Hand

frauenseiten. © robers

Wenn wir uns fragen: Was ist, wenn ich nicht mehr für mich sorgen kann? Was ist, wenn ich in einer Welt ohne Gestern, ohne Morgen lebe, und das Jetzt gleich vergesse?

Dement – und dann?

Aus diesem Grund habe ich mal “über den Tellerrand” geschaut, zu unserem Nachbarland, ein kleines, in vielerlei Hinsicht fortschrittliches Land – die Niederlande. Fortschrittlich, das weiss ich deshalb so genau, weil ich dort gelebt und gearbeitet habe. Oft fragte ich mich: ”Wie machen die das”? Es interessierte mich auch die Frage nach dem Umgang mit Demenz. Wo und wie werden Menschen mit dieser Krankheit in den Niederlanden untergebracht, wenn häusliche Pflege nicht mehr möglich ist? Welche Art von Heimen bzw. Einrichtungen gibt es dort? Also habe recherchiert und folgendes erfahren:

De Hogeweyk

(c)Monika Sattelberg

“Wieviel Selbstbestimmung kann einer dementen Person zugestanden werden? Rechtfertigt das Abwenden von Schaden gegenüber sich selbst oder (wenigen) anderen das Einschliessen von Tausenden von Demenzkranken?” ¹ Nicht in den Niederlanden, dort “werden die Heime geöffnet” ¹, so konnte ich  erfahren. Ein sicheres Wohngebiet in der Stadt Weesp, nahe Amsterdam. Es wurde als erste Unterkunft dieser Art vor mehr als 10 Jahren erbaut, gegründet  vom Niederländer Eloy van Hal. Dort gibt es 27 Häuser, in denen jeweils sechs bis sieben Einwohner zusammen leben. In den Wohnungen trifft man verschiedene Einrichtungen an: traditionell, rustikal, urban – so vielfältig wie die Lebensstile der Bewohner und die Kulturen in den Niederlanden. Die Bewohner von Hogeweyk können sich frei in der gesamten Nachbarschaft bewegen. Im Supermarkt, der Teil des Wohngebietes ist, können sie einkaufen. Wer vergisst zu bezahlen – kein Problem – das erledigt später der Betreuer. Ausser dem Supermarkt gibt es dort auch eine Gaststätte, ein Cafe, Theater, Friseur, Handwerksschuppen, einen parkähnlichen Garten, einen Dorfplatz. In den Häusern arbeiten sehr gut im Umgang mit Demenz geschulte Betreuer. Sie geben Unterstützung und stellen sich feinfühlig auf die Bewohner ein. Weitgehend selbständig leben, auch mit Demenz, im Einklang mit der Nachbarschaft. Das macht dieses Dorf aus, ist dort möglich. Claudia Gohrbandt schrieb in einem Artikel, dass Hogeweyk “für Gesundheitspolitiker und Pflegemanager von nah (Deutschland,  Schweiz) und fern (Amerika, China, Indonesien) zur Pilgerstätte wurde” ². Auch an anderen Orten in den Niederlanden sind inzwischen vergleichsweise Projekte entstanden. Dabei lassen sich die Niederländer in diesen Pflegeheimen etwas Besonderes einfallen. Wie? Mit Attrappen und Fototapeten.

Die Kosten

“Auch Mittellose können in Hogeweyk wohnen”… pro Person 5200,- Euro”, waren es 2015 ³. Die Kosten für Unterkunft und Pflege werden von der Regierung getragen. Jeder Einwohner zahlt einen persönlichen Beitrag, der von der Höhe der Rente und dem Eigenkapital abhängt. Das ist für alle Pflegeheime in den Niederlanden gleich.

Die Finanzierung

Finanzielle Mittel und Reformen in der Pflege sind für die Umsetzung eines Konzeptes Hogewyk in Deutschland die Voraussetzung. Dabei sollte die würdevolle Betreuung kranker Menschen auch bei uns im Vordergrund stehen. Das Problem Demenz wächst, und zwar in grossen Sprüngen. Laut dem Bundesministerium für Gesundheit leiden bereits heute rund 1,7 Millionen Menschen in Deutschland an Demenz. Der Bundesminister für Gesundheit,  Jens Spahn, bezeichnet “Demenz als eine der grössten Herausforderungen unserer Gesellschaft”. Laut WHO gibt es bis 2050 eine Verdreifachung der Demenzfälle! Die Konsequenz für die Zukunft erfordert: zeitnahe Planung, Finanzierung und Umsetzung von entsprechenden Unterkünften. Wie das gelingen kann, zeigt das Beispiel in den Niederlanden: Menschenwürdig.

Monika Sattelberg

Quellen:

¹  Autor: Dr. Sylvia Blezinger – ( Blezinger Healthcare), vom 25. September 2019

²  Claudia Gohrbrandt (Palliative Care/selbständige Dozentin und Expertin)

³  Claudia Heissenberg, WELTZEIT / ARCHIV Beitrag vom 25.03.2015, weitere Quellen: Wirtschaftswoche  Kristina Schäfer vom 08.03.2019

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