Das aktuelle Interview: Pflegeausbildung ab 2020

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Interview mit Dr. Karl Bronke. Dr. Karl Bronke hat als Jurist in der Sozialverwaltung gearbeitet und ist seit 1987 im Stiftungsrat der Bremer Heimstiftung, seit 1998 dessen stellvertretender Vorsitzender. Er arbeitet ehrenamtlich in Stiftungen und Vereinen des Sozialbereichs.

Herr Bronke, was ändert sich in der Pflegeausbildung im nächsten Jahr?

Die Ausbildungen in der Krankenpflege, der Altenpflege und der Kinderkrankenpflege werden zusammengelegt. Damit können dann Menschen aller Altersgruppen gepflegt werden. Die Absolventen heißen dann „Pflegefachfrau“ oder „Pflegefachmann“. Wie bisher erfolgt die dreijährige Ausbildung in Praxisstationen und in der Schule. – Die Fachleute haben sich den etwas sperrigen Begriff der „Generalistischen Ausbildung“ ausgedacht.

Was ist denn dann der Vorteil dieser Zusammenlegung?

Zum einen haben die Absolventen dann die Wahl zwischen unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen. Die Ausbildung wird insgesamt aufgewertet, der Abschluss ist automatisch EU-weit anerkannt. Außerdem erhoffen wir uns in der Altenpflege endlich eine Gleichstellung mit der Krankenpflege.

Aber besteht nicht die Gefahr, dass das Fachwissen der Altenpflege verloren geht?

Beide Bereiche haben schon jetzt große Überschneidungsbereiche, in der Ausbildung und auch in der Praxis. Es ist ja inzwischen so, dass die Mehrzahl der Krankenhauspatienten im Seniorenalter ist und sich die Krankenpflege darauf einstellen musste. Die Altenpflege hat auch medizinische Anteile, so dass es naheliegt, die Ausbildungen zusammen zu legen. Das ist auch in den meisten anderen Ländern so. Im dritten Jahr der Ausbildung ist zudem eine Spezialisierung möglich.

Jetzt haben die Bremer Heimstiftung und mehr als 20 andere Träger einen Verein gegründet, zu deren Vorsitzenden Sie gewählt worden sind. Was will dieser Verein?

Die neue Ausbildung stellt neue Herausforderungen: andere Ausbildungsinhalte, vielfältige Praxiseinsätze, neue Finanzierungsformen. Das ist für viele vor allem kleine Dienste und Einrichtungen schwer umzusetzen. Wie auch sonst im Leben: gemeinsam geht es besser. Gemeinsamkeit schafft Sicherheit. Der Verein will vielen Trägern Arbeit abnehmen. Er entwirft Musterverträge und Arbeitshilfen, er nimmt Termine wahr und führt Verhandlungen. Er macht Lobbyarbeit für die Ausbildung – und hat das Ziel, die Zahl der Ausbildungsplätze zu erhöhen.

Wie soll das gehen?

Zum einen wollen wir mehr Betriebe ermuntern, Ausbildungsplätze zu schaffen. Vor allem kleine Betriebe waren dazu bisher nicht in der Lage. Außerdem ist die Zahl der Ausbildungsplätze nicht mehr festgelegt. Die Kostenträger bezahlen eine Pauschale für jeden Ausbildungsplatz. Die Bundesregierung will 10% mehr Plätze in den nächsten vier Jahren schaffen. Das wollen wir in Bremen übertreffen.

Bringt das mehr Qualität in die Pflege?

Mehr Ausbildungsplätze sind die Voraussetzung für mehr Fachkräfte. Und wir brauchen mehr Fachkräfte in unseren Diensten und Einrichtungen. Aber das ist natürlich nicht alles. Meine Tochter ist Altenpflegerin, und sie sagt mir: Eine fachlich gute und gut bezahlte Ausbildung ist wichtig. Aber man muss im Beruf auch die Möglichkeit haben, den fachlichen Anspruch aus der Ausbildung einzulösen. Das heißt: mehr Anerkennung für die Pflegeberufe, ordentliche Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen.

Herr Dr. Bronke, herzlichen Dank für die Informationen!

(Das Interview führte Dr. Dirk Mittermeier, Mediensprecher der SeniorenVertretung Bremen)

Allgemeine Informationen zur Reform der Pflegeausbildung

  • Als Zugangsvoraussetzung ist ein mittlerer Schulabschluss erforderlich, das heißt eine mindestens zehnjährige allgemeine Schulbildung; auch ein neunjähriger Hauptschulabschluss in Verbindung mit einer Helferausbildung ist möglich,
  • Die Ausbildung soll zur Pflege von Menschen aller Altersgruppen in allen Versorgungsbereichen befähigen.
  • Die Berufsbezeichnung lautet: „Pflegefachfrau“ oder „Pflegefachmann“,
  • Es handelt sich um eine „quasi-duale Ausbildung“, die in Schule und Betrieb erfolgt,
  • Die praktische Ausbildung erfolgt zum überwiegenden Teil bei dem Träger, mit dem der Ausbildungsvertrag geschlossen wurde (= Ausbildungsbetrieb),
  • Der Abschluss ist automatisch EU-weit anerkannt.
  • Neu: Mögliche Spezialisierung nach zwei Jahren
  • Alle Auszubildenden starten generalistisch (2 Jahre),
  • Für das dritte Jahr können die Auszubildenden wählen, ob sie weiter den generalistischen Abschluss anstreben oder den Berufsabschluss „Altenpfleger/in“ oder „Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/in“ (ohne automatische EU-weite Anerkennung); die bisherige Gesundheits- und Krankenpflege gibt es nicht mehr,
  • Für die Spezialisierung sollten sich die Auszubildenden in der Regel vier Monate und frühestens sechs Monate vor dem dritten Ausbildungsjahr entscheiden,
  • Sechs Jahre nach dem Start der Generalistik, also im Jahr 2026, wird geschaut: Wie viele haben den generalistischen Abschluss gewählt? Dann wird der Bundestag erneut entscheiden: Bleiben die Abschlüsse Altenpflege und Gesundheits- und Kinderkrankenpflege weiter bestehen?
  • Neu: Vorbehaltsaufgaben für die Pflege
  • Erstmalig werden Vorbehaltsaufgaben für Pflegefachpersonen definiert,
  • Dazu gehören die Erhebung und Feststellung des Pflegebedarfs, die Organisation des Pflegebedarfs sowie die Evaluation und Qualitätssicherung.

Finanzierung

  • Die Ausbildung ist für alle Auszubildenden kostenfrei, es muss eine angemessene Vergütung bezahlt werden,
  • Finanzierung erfolgt über Umlageverfahren,
  • Auf Landesebene gibt es Ausgleichsfonds für die Ausbildung,
  • Die Kostenträger werden grundsätzlich prozentual wie bisher beteiligt,
  • Es findet keine Deckelung der Ausbildungszahlen statt.

Hochschulische Ausbildung

  • Eine primärqualifizierende hochschulische Ausbildung auf Bachelor-Niveau mit staatlicher Prüfung zur Erlangung der Berufszulassung ist möglich,
  • Die Zugangsvoraussetzung ist Hochschulreife mit Abitur oder eine gleichwertige Qualifikation je nach Landesrecht,
  • Die Dauer der hochschulischen Ausbildung beträgt (unverkürzt) mindestens drei Jahre,
  • Die Finanzierung obliegt den Ländern,
  • Die Berufsbezeichnung lautet: „Pflegefachfrau“ oder „Pflegefachmann“

Die Position der SeniorenVertretung

Die Seniorenvertretung hält den Zusammenschluss von über zehn Trägern zum Ausbildungsverbund für sehr begrüßenswert. Kommen wir dadurch doch der Verwirklichung der von uns bereits 2016 geäußerten Überlegungen näher.

Wir sehen die Chance, die Ausbildung attraktiver zu gestalten und damit die dringend benötigten Fachkräfte für die Kranken-, Kinder- und Altenpflege zu gewinnen. Ein guter Schritt gegen den Pflegenotstand  und eine Aufwertung der Altenpflege, die allerdings auch einhergehen sollte mit besseren Arbeitsbedingungen, um einer Abwanderung ins Ausland mit besseren Arbeitsbedingungen vorzubeugen.

  2 comments for “Das aktuelle Interview: Pflegeausbildung ab 2020

  1. Herr Schmidtmann Dirk sagt:

    Ein sehr interessanter Bericht, zum Thema Pflegeausbildung.

  2. Austen sagt:

    Vielzuviel THEORIE !

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