Am 27. Januar, fand der „Gedenktag für alle Opfer des Nationalsozialismus“ statt. In diesem Jahr erinnerten wir damit zum 73. Mal an die Männer, Frauen und Kinder, die 1945 aus den Vernichtungslagern befreit wurden. Dazu fand in diesem Jahr eine Kampagne statt: Jeder konnte sich mit einem Foto und dem Satz “ I remember“ zum Gedenktag zu bekennen und das Foto im Internet veröffentlichen..
Ich hatte noch einen weiteren Anlass, an diesem Tag an die Vernichtung der Juden zu erinnern, denn ich habe in unserem Familienarchiv ein Poesiealbum gefunden, das einen denkwürdigen Eintrag enthält. Geschrieben hat ihn Erna Wolff. Erna Wolff starb im Konzentrationslager Theresienstadt.
Das ist die Geschichte dazu:
Auf dem Tisch liegt das Poesiealbum von Minni G. Darin haben zwischen 1909 und 1921 Menschen, die Minni G. etwas bedeuteten, einen Spruch geschrieben, meist mit dem Wunsch verbunden, immer in guter Erinnerung zu bleiben. Gleich daneben liegt ein Ordner mit einer Arbeit, die Minni G.s Enkelin 1984 geschrieben hat. « Jüdische Familien in Bremen-Nord » ist der Titel. In der Liste der jüdischen Familien, deren Leben die Enkelin für die Zeit zwischen 1933 und 1945 dokumentiert hat, findet sich auch die Familie Wolff.
Jacob Wolff war der Vorsteher der jüdischen Gemeinde. Er war mit Rosa Wolff verheiratet. Erna war ihre Tochter und ihr einziges Kind. Minni G. und Erna Wolff waren Nachbarskinder und Freundinnen.
In dem Poesiealbum auf dem Tisch steckt ein Lesezeichen. Es markiert die Seite mit einem Erinnerungsspruch der Schülerin Erna Wolff. In schöner Schrift schrieb sie:
Zwei Wünsche hab´ ich stets für dich,
Aufrichtig sind sie, so wie ich,
Merk´auf : der erste lautet so:
Leb´glücklich, sei gesund und froh!
Verschmäh nun auch den zweiten nicht,
der tief aus meinem Herzen spricht:
Denk´ künftig in der Zeiten Blick
In Freundschaft stets an mich zurück.
Dies, liebe Minni, schrieb dir zum Andenken
Deine Freundin
Erna Wolff
Vegesack, den 3.3. 1909
Das Geburtsdatum und der Todestag von Erna Wolff sind unbekannt. Vermutlich war sie 10 Jahre alt, als sie und Minni G. befreundet waren. Sie und ihre Eltern, Jacob und Rosa Wolff, wurden nach Theresienstadt deportiert. Erna und ihr Vater wurden dort ermordet. Ihre Mutter, Rosa Wolff, überlebte und kehrte nach Vegesack zurück.
Minni G. war verheiratet, hatte zwei Kinder, war Hausfrau und berufstätig. Sie starb nach schwerer Krankheit im siebzigsten Lebensjahr. Ihr Geburts- und Todestag sind bekannt. Ihr Fazit vor ihrem Tod: «Ich hab´ vom Leben nichts gehabt. »
Danke für die Erinnerung an grausame barbarische Zeiten und für das Gedenken an Menschen, die mit uns gelebt haben.
Ich möchte den Artikel noch ergänzen: Eine Nichte von Minni G. erzählte mir, dass die Schwester von Minni G. jeden Sonnabend vor der Schule zu Erna Wolff gegangen ist und ihr die Schultasche getragen hat. Der Grund: Sabbat ist im Judentum ein Ruhetag, an dem keine Arbeit verrichtet werden soll.
Zumindest der Geburtstag von Erna Wolff ist bekannt, es ist der 11. Februar 1900. Ich fand diese Daten in einem Artikel des Beirates „Stolpersteine“ im Verein „Erinnern für die Zukunft“ auf der Website der Internationalen Friedensschule Bremen. http://www.friedensschule-bremen.de/stolpersteine.html