Meine vorweihnachtlichen Rituale

Das Leben als Seniorin oder Senior ist bestimmt von ritualisierten Abläufen. Rituale geben dem täglichen Leben eine sichere Struktur, in der wir uns wohlfühlen und die uns in Bewegung hält. Kaum eine Zeit ist allerdings so davon geprägt wie Vorweihnachtszeit, Weihnachtsfest und Jahreswechsel. Viele von uns folgen dabei den religiös vorgegebenen und familiär erfahrenen Ritualen, sowie den heidnisch überlieferten Bräuchen.

Senior Sigi

Rituale, Heißgetränk in einer Tasse

(c) Frauenseiten, Pinar Kranda

Neulich sprach ich darüber mit Sigi. Sigi ist ein Altersgenosse, den ich bei meiner ritualisierten Samstagstour vor einigen Jahren kennengelernt hatte. Samstagstour heißt bei mir: erstens Marktbesuch mit Einkauf entsprechend selbstangefertigter Liste für die mit Gattin abgesprochene Wochenendernährung. Dabei wird der Einkauf von mir immer bei den gleichen Marktständen vollzogen und ist immer verbunden mit einem kleinen Schnack. Zweitens Lektüre der vorher erworbenen Samstagsausgabe einer Zeitung süddeutscher Provenienz in einem bestimmten Cafe in der Innenstadt Bremens. Dies geschieht auch seit Jahren, der Chef Osman weiß ohne meine Bestellung, was er vorbereiten muss: Capucchino und Wasser.

Hier habe ich Sigi kennengelernt. Das Treffen gehört inzwischen für uns beide zum Samstag morgen dazu, wenn wir nicht durch Anderes (Urlaub, Enkelbesuch etc.) davon abgehalten werden. Die Zeitungslektüre wird dann auf den Nachmittag verschoben.

Der hartherzige Grossvater

Wir tauschten uns letztens über unsere vorweihnachtlich-weihnachtlichen Rituale aus. Es gab Übereinstimmungen, aber auch Unterschiede. Ein Beispiel: In der Vorweihnachtszeit brauche ich einen Abend den Film „Der kleine Lord“. Seit Jahren wischen meine Frau und ich uns die Tränchen aus den Augen, wenn der hartherzige Großvater, Earl of Dorincourt (in der Version von 1980 gespielt von Sir Alec Guinness), letztlich durch den kindlichen Charme seines bezaubernden Enkels Cedric, dem neuen Lord Fauntleroy, doch noch „weichgeklopft“ wird und alles in einer fröhlichen gemeinsamen Weihnachtsfeier im Schloss ausklingt. Die Vorlage, der Roman von Frances Hodgson Burnett, stammt aus dem Jahr 1886. In diesem Jahr wird das nun bei uns alles ganz anders! Laut Sigi ist die 1980er Version, von der BBC für das englische Weihnachtsfest gedreht, ja nicht mehr als ein plumpes Remake. Die ältere Version aus dem Jahr 1936 halte sich viel dichter am Romantext. Also werden wir in diesem Jahr die synchronisierte englische Originalversion ansehen. Der Vorteil dabei ist, dass wir den Film nun als DVD besitzen und den „Sendetermin“ im Dezember selbst festlegen können. Bleibt noch nebenbei zu erwähnen, dass neben diversen anderen Adaptionen der Vorlage 1994 auch eine deutsch-italienische Version mit Mario Adorf entstand. Werde Sigi noch dazu befragen.

„Dinner for one“ oder „Seniorengerecht feiern“

Für den Jahreswechsel gehört bei uns -wie in vielen anderen Haushalten auch- Freddy Frinton mit seinem „90. Geburtstag“ immer dazu. Ohne „the same procedure as last year“ geht es gar nicht! Ich erinnere mich, diesen Sketch, der im englischen Heimatland des Comedians Frinton weitgehend unbekannt ist, bereits als Jugendlicher gesehen zu haben. Deshalb bin ich mir ziemlich sicher, dass Sigi mir keine Vorgängerversion anzubieten hat. Es sei denn, das Ganze gab es bereits als Stummfilm, mit Adele Sandrock als „Miss Sophie“(???). Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest und: Ritualisieren Sie sich gut ins Neue Jahr!

Zu Adele Sandrock gibt es die folgende Anekdote. In einem Hotel mit offenbar dünnen Wänden fand ihr Zimmernachbar wegen ihrer „Schlafgeräusche“ keine Nachtruhe und machte sich mit dem Schuh gegen die Wand bemerkbar. Bei der Begegnung am nächsten Morgen im Frühstücksraum sagte Frau Sandrock mit der ihr eigenen tiefen Stimme und rollendem „R“: „Junger Mann, ich habe Ihr Klopfen gehört. Aber ich war zu müde!“

Das Buch zum Weihnachtsfest

Rituale, ein Stapel Bücher zum Weihnachtsfest

(c)Dirk Mittermeier

P.S. Für mich gehört die Lektüre eines kleinen Buches von John Grisham ebenso in die Vorweihnachtszeit. Der Autor ist bekannt durch seine Krimis aus dem Anwaltmilieu. „Das Fest“ hat allerdings nichts mit diesem Genre zu tun, es beschreibt vielmehr die Weihnachtsvorbereitungen einer Familie in einer amerikanischen Kleinstadt -oder eben nicht: Weil die Tochter nach abgeschlossener Highschool die Festtage nicht zuhause verbringt, will das Elternpaar alle Zeremonien rund um das Fest sowie die obligatorische Weihnachts-Party einfach ausfallen lassen und für das Geld stattdessen eine Reise in die Karibik antreten. Das Buch handelt zwar in Amerika, ist aber dennoch eine empfehlenswerte Einstimmung auf unser europäisches Festgeschehen. Bitte auf jeden Fall beachten: Buch lesen, Verfilmung meiden!

Dirk Mittermeier

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