Das Mittwoch-Rätsel – Ausgabe 8

Eselstatue

(c) H. Schnatmeyer

Bremer Geschichte – ins Gespräch gebracht. Diesmal steht ein Esel im Mittelpunkt.

Thea, seit vielen Jahren Stadtführerin, zeigt Spuren zur Bremer Geschichte. Diesmal  hat sie eine Mitspielerin dabei: Enkelin Marie, die in den Ferien bei ihr zu Besuch ist. Marie liebt Märchen und will wissen, warum die Bremer Stadtmusikanten nie bis Bremen gekommen sind. Um das Rätsel zu lösen, fahren beide mit dem Ausflugsdampfer Oceana nach Vegesack. Marie will mit einem kleinen Esel sprechen, der am Vegesacker Hafen steht. Natürlich nur in ihrer Fantasie. Ob der Esel das wahre Ende des Märchens kennt?

Das Gespräch

Ich heiße Marie. Meine Großmutter sagt, wenn ich Dein Ohr anfasse, kann ich mit Dir reden. Stimmt das?

I A.

Hast Du ja gesagt?

I A.

Eselstatue

(c) H. Schnatmeyer

Ich fasse Dein Ohr ganz vorsichtig an. Denn zweimal haben sie Dir beide Ohren abgebrochen. Hat das weh getan?

Ach, das ist lange her. Das war 1985. Ich war aus Beton gegossen. Dann haben ein paar Lümmel mir ein Ohr abgebrochen. Als das wieder dran war, haben sie sich das andere vorgenommen. Ein böser Schabernack, der richtig weh getan hat.

Meine Oma sagt, dass Du jetzt aus Bronze bist. Sind nun die Schmerzen weg?

I A.

Bist Du der Esel von den „Bremer Stadtmusikanten“?

I A.

Dann lese ich dir jetzt mal was vor: Es hatte ein Mann einen Esel, der schon lange Jahre die Säcke unverdrossen zur Mühle getragen hatte, dessen Kräfte aber nun zu Ende gingen…

(Gähnt)…I A, I A. Diese alte Geschichte kann ich schon nicht mehr hören. Sie ist 200 Jahre alt. Frag Deine Oma mal, ob das stimmt?

Sie nickt. Das Märchen haben die Gebrüder Grimm 1812 veröffentlicht, sagt sie. Und ich soll dich fragen, ob du weißt, dass die Bremer das Ende immer falsch erzählen. Nur weil sie mit dir und deiner Rentnerband Reklame machen wollen.

I A. Ich bin mit Packan, meinem Hundefreund, Bartputzer, der Katze und Rotkopf, dem Hahn nie bis Bremen gekommen. Dort wollten wir hin und als Stadtmusikanten Musik machen, doch dann hat es uns hier, am Vegesacker Hafen, viel besser gefallen…

Oma sagt, dass Bremen schon damals eine schöne und große Stadt war. Deine Band hat jetzt ein Denkmal vor dem Rathaus. Und alle Touristen wollen erst euch sehen und dann erst alles andere.

Eine schöne Eselei. Wir konnten gar nicht an einem Tag bis Bremen kommen und mussten in einem Wald übernachten. Dort stand ein Haus, in dem Räuber wohnten und die haben wir hinaus gejagt… I A .I A. Und von da an getrauten sich die Räuber nicht wieder in das Haus; uns gefiel es aber so wohl darin, dass wir nicht wieder heraus wollten…

Baumreihen

(c) H. Schnatmeyer

Und warum stehst Du nun hier so allein am Vegesacker Hafen?

Ich stehe hier gar nicht allein. Denn hinter mir steht das kleine Haus, in dem wir gewohnt haben.

Äh? Das ist doch eine Gaststätte und kein Räuberhaus?

I A. I A. Das ist ja das Ende der Geschichte. Ich habe bis zuletzt in diesem Haus gelebt. Meine drei Freunde sind vor mir gestorben. Dann kam eines Tages ein Räuber und hat mich untertänig gefragt, ob er nicht zurückkommen dürfe. Er wollte ein besserer Mensch werden und nicht mehr räubern. Er wollte in dem Haus ein Gasthaus einrichten. Und ich sollte mein Gnadenbrot bei ihm bekommen und seine Schänke sollte auch noch meinen Namen tragen. Das konnte ich doch nicht ausschlagen. Und darum bin ich hiergeblieben und wir Stadtmusikanten sind nie bis Bremen gekommen. Genau, wie es in dem Märchen erzählt wird.

Oh, so war das?! Und das Gasthaus „Grauer Esel“ –  mit Deinem Namen –  gibt es immer noch. Meine Oma sagt, du bist ein Schlingel. Einen Wald hätte es an dieser Stelle nie gegeben. Stimmt das? Lügen darf man nicht, grauer Esel!

Das weiß ich. Ich flunkere nicht. Der große Platz neben dem Haus, siehst du, dort, wo das Spielschiff steht, heißt nämlich Hafenwald. Auch zur Erinnerung an dieses schöne Märchen der Gebrüder Grimm.

Schiffsbesatzung beim Anlegen

(c) H. Schnatmeyer

Jetzt hat meine Oma sich in den Gasthausgarten gesetzt. Ich soll mit ihr Apfelschorle trinken. Sie sagt, dass du von Knacki…

Stopp. Das sagt man nicht. Aber das stimmt: Ich bin in der Jugendvollzugsanstalt in Oslebshausen geschaffen worden. Und weil ich als Betonfigur nicht standhaft genug war und man mir die Ohren abgebrochen hat, wurde ich fünf Jahre später wieder aufgestellt. Eine Berliner Gießerei hatte mich aus Bronze gegossen. 11 000 Mark Spendengelder sind dafür ausgegeben worden. So gerne wollten mich die Vegesacker haben.

Ich sag auch noch was: „Und der das zuletzt erzählt hat, dem ist der Mund noch warm.“ So endet das Märchen bei den Gebrüder Grimm.

Und nun die babyleichte Frage:
Wann wurde die kleine Eselfigur aus Bronze gegossen und wieder aufgestellt?
1985?
1990?
2005?

Danke, dass Sie alles gelesen haben! Eine Auflösung gibt es diesmal nicht, denn die lässt sich ganz einfach ausrechnen. Das versprechen Thea und Marie

Vegesack ist von Bremen aus auf vielen Wegen zu erreichen: mit dem Schiff ab Martini-Anleger, mit Bahn oder Straßenbahn und Bus und natürlich auch mit dem Fahrrad durch das Blockland, an der Lesum entlang.

Helga Schnatmeyer

  2 comments for “Das Mittwoch-Rätsel – Ausgabe 8

  1. Eine Besserwisserin sagt:

    Also, da haben wir es: Die Stadtmusikanten sind d o c h bis Bremen gekommen. Vegesack gehört zu Bremen !!! J A W O L L !!
    Herzliche Grüße an Marie und Helga!

  2. Dorothee sagt:

    Nicht nur „Besserwissen“, sondern auch noch „Besserdenken“!
    Das sagt die Autorin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert