Umgang mit Psychopharmaka in Pflegeheimen

Psychopharmaka in Pflegeheimen, Alte Frau sitzt alleine vor einem Fenster

(c) fotolia; De Visu

Das Ergebnis einer Studie im Rahmen des aktuellen AOK-Pflegereports ist: Mehr als die Hälfte der Bewohner von Pflegeheimen in Deutschland erhalten regelmäßig Psychopharmaka. Sie werden so oft sediert, um „herausforderndes Verhalten“ zu verringern und so die Arbeit der Pflegekräfte zu erleichtern. Fachleute sprechen von einer chemischen Gewalt, die in unseren Einrichtungen tagtäglich stattfindet. Hintergrund ist, dass die Demenzkranken häufig unruhig sind und weglaufen. Weiterer Grund dafür seien die vielen Belästigungen gegenüber Bewohnern, die von den Demenzkranken ausgehen. Rund ein Drittel der Bewohner in den deutschen Einrichtungen sollen laut der Studie demenzkrank sein. Es handelt sich also um ein flächendeckendes Problem. Davon profitieren die Einrichtungen, weil dann Personal eingespart werden kann und höhere Gewinne der Heimträger zu erzielen sind.

Verabreichung von Psychopharmaka als Arbeitserleichterung

Krankenhausflur

Quelle: frauenseiten. © Schütte

Zu ändern ist dieser Skandal nur dann, wenn der Gesetzgeber einen verbindlichen Personalschlüssel nach den Pflegegraden 1 bis 5 in Minuten pro Tag der Betreuung sowie den Anteil der Grundpflege festlegt. Die Bindungen sollten für Heimbetreiber und Pflegekassen gelten, die den Pflegesatz vereinbaren.

Diese medikamentöse Fixierung ist vergleichbar mit Fällen, in denen Heimbewohner etwa mit Gittern oder Haltegurten am Bett oder Rollstuhl fixiert werden. Zu fragen ist auch,
wieso behandelnde Hausärzte, die die Bewohner im Heim betreuen, so häufig zum Beispiel die Verschreibung vom Neuroleptikum Risperidon vornehmen. Überwiegend müssen es Gefälligkeiten der Ärzte sein. Dabei ist zu fragen, wieso der Medizinische Dienst der Krankenkassen nicht einschreitet, denn diese „unabhängige“ Institution beurteilt Pflege und Betreuung im jeweiligen Pflegeheim.

Psychopharmaka in Pflegeheimen zur Gewinnerzielung

Demenzpatienten Die Buchstaben " Demenz " in einer Hand

(c) fotolia; JSB31

Es ist klar, ein verbindlicher Personalschlüssel der Zukunft verhindert allein nicht die Ruhigstellung mit Pillen. Es ist erforderlich, qualifizierte Altenpflegerinnen/Altenpfleger mit einer dreijährigen Ausbildung nicht mehr für die Durchführung der Grundpflege anzustellen. Sie sollten als Anleitungs- und Prüfpersonen für ausführende Hilfskräfte eingesetzt werden.

Hilfskräfte können ungelernte Personen sein, die eine dreimonatige Kurzausbildung (Förderung der Arbeitsverwaltung) erfahren und die knapp die Hälfte der Personalkosten einer qualifizierten Kraft, also rund 26.000 Euro jährlich, verursachen.

Die zu beaufsichtigenden Aufgaben einer Hilfskraft sollten sein:
Körperliche Grundversorgung am Bewohner, Wäsche einräumen, Aufräumen des Zimmers und Hotel- und Serviceleistungen, die als Personalbedarf wegen der Erstattung der Bewohner gesondert ausgewiesen werden.
Der/Die qualifizierte Mitarbeiter/in hätte demnach die Aufsicht der Grundversorgung und der Behandlungs- und Aktivierungspflegemaßnahmen durchzuführen, Gespräche mit den Angehörigen zu führen sowie Probleminterventionen stattfinden zu lassen.

Bei Ungereimtheiten sollten Krankenkassen eingeschaltet werden

Offene Sprechstunde für pflegende Angehörige , Pflegeberufe, Mann mit Gehilfe wird gestützt

(c) fotolia; Photographee.eu

Als Beispiel einer Einrichtung für 31 Bewohner (Pflegegrad 1 = 6%, Pflegegrad 2 = 49%, Pflegegrad 3 = 32% und Pflegegrad 4 = 13%) ergeben sich nach den durchschnittlich im Bundesgebiet praktizierten Pflegeminuten rund 16 Vollzeitstellen ausschließlich eines Nachtdienstes. Nach dem Vorschlag der Aufgabendifferenzierungen sollten 10 Stellen für qualifizierte Kräfte und 6 Vollzeitstellen für Helfer ausreichend sein. Die „chemische Gewalt“ durch Psychopharmaka in Pflegeheimen in der augenblicklichen Situation könnte erheblich eingeschränkt werden. Auch in Ergänzung einer gesetzlichen Auflage, eine personenbezogene Statistik bei durchgeführter Sedierung von der Einrichtung zu erstellen, die den Pflegesatzparteien in den Verhandlungen vorliegen sollte. Bei Ungereimtheiten der Nachweise sollte die Kassenärztliche Vereinigung von der federführenden Krankenkasse eingeschaltet werden.

Günter Steffen

  11 comments for “Umgang mit Psychopharmaka in Pflegeheimen

  1. Reinhold Menter sagt:

    Meine Frau war seit 2010 pflegebedürftig. Ich pflegte meine Frau zu Hause. Am 25.11.2019 kam Sie ins Klinikum Landshut. Sie wurde am 10.12.2019 zu mir wieder zurückgebracht. Ich stellte fest das sie bei der Pflege nicht mehr mitmachen konnte. Sie konnte fast nichts mehr essen und trinken und nicht mehr sprechen. Die Medikamente wurden ihr zu hoch dosiert verabreicht. Seit dem Fahrrad-Unfall am 25.05.2010 (SHT) hatte sie gelegentlich immer mal wieder epileptische Anfälle. Die Medikamente lt. Plan behinderten den Kau- und Schluckmechanismus. Der Schluckreflex setzte oft nicht ein. Im Klinikum ab 25.11.2019 wurden diese Medikamente noch höher dosiert. Ich habe mehrmals um Reduzierung der Medikamente gebeten, ohne Erfolg. Meine Frau kam ins Pflegeheim am 13.12.2019. Bereits am 14.12.2019 gegen 9 Uhr wurde mir vom Pflegeheim mitgeteilt, dass meine Frau in der Nacht einen Zahn samt Wurzel verloren hat. Zahn lag auf dem Bett. Gegen 13 Uhr bekam ich einen weiteren Anruf. Es
    wurde mir mitgeteilt, meine Frau ist auf der Fahrt zum Zimmer vom Rollstuhl gefallen nach vorne. Starke Kopfver-letzung mit Nasenbluten. Sie kam wieder ins Klinikum Landshut und wurde gegen 16 Uhr ins Pflegeheim wieder zurückgebracht. Sie konnte nicht mehr als 2-3 Löffen Breikost zu sich nehmen. Flüssigkeit erhielt Sie durch Infu-sionen. Das Pflegfeheim stellte einen Antrag auf einen höheren Pflegegrad (5). Mitte Februar 2020 stellte sich
    langsam eine Besserung bei meiner Frau ein. Sie hatte einen Faltfächer zum Fasching gebastelt. Sie konnte wieder
    etwas besser essen. Außerdem bekam ich von der Physiotherapeutin die Mitteilung, dass meine Frau schon wieder stehen kann. Am 25. Februar erhielt ich außerdem die Mitteilung das der MDK Bayern mit einer Begutachtung zur
    Feststellung der Pflegebedürftigkeit am 11.03.2020 im Pflegeheim erscheint. Ende Februar 2020 konnte ich wieder eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes meiner Frau feststellen. Der Zustand wurde immer schlechter.
    Der Begutachtungstermin war am 11.03.2020 zwischen 9.30 und 11.30 Uhr angesetzt. Ich kam ins Pflegeheim
    gegen 9.20 Uhr. Von einer Pflegekraft bekam ich die Auskunft, dass die Begutachtung schon stattgefunden hat.
    Meine Frau konnte nicht sprechen, nichts essen und trinken. Außerdem war sie sehr müde. Ich habe Grund zur
    Annahme, dass hier nachgeholfen wurde um die Höherstufung zu erreichen. Der Gesundheitszustand meiner
    Frau wurde immer schlechter. Meine Frau starb am 04. Mai 2020.
    Vom Sturz aus dem Rollstuhl wird der MDK nichts mitbekommen haben. Die Benotung mit sehr gut des Pflegeheims
    wird sicherlich so bleiben.

    Mit freundlichen Grüßen
    Reinhold Menter

    • Vielen Dank für den interessanten Artikel. Ein ein verbindlicher Personalschlüssel wäre auf jeden Fall eine gute Idee. Ich habe in meiner Familie Erfahrungen mit Psychopharmakern gemacht und bin auf jeden Fall der Meinung, dass diese nur als letztes Mittel eingesetzt werden sollten, wenn wirklich nichts anderes mehr geht.

  2. Christine Bertels sagt:

    Heute im Seniorenpflegeheim habe ich vor komplett mit Phychopharmaka sedierten Bewohnerinnen am Demenztisch gesessen. Die anwesende Betreuungskraft konnte die Damen kaum ansprechen. Die Altenpflegerinnen gingen dem üblichen Küchendienst nach, den sie mehrfach am Tag neben den Hotelleistungen s. o. erbringen. Für die Bewohner bedeutet dies, dass sie nur zur Grundpflege in Rundgängen und minimalen Behandlungspflege versorgt und angesprochen werden. Stundenlang sich selbst überlassen sind. Ich möchte betonen, dass sich die Personalkräfte große Mühe mit Bewohnern machen, aber kaum Zeit dazu haben wegen Küchendiensten. Ist das vom MDK und Ministerium aus erlaubt? Pflegegeld für Spülmaschine einräumen? Noch und nöcher?

    • Michael Breidbach sagt:

      Liebe Frau Bertels,
      Vielen Dank für ihre Eindrücke aus dem Pflegeheim, leider sind das inzwischen übliche Szenen. Wir müssen jedoch weiterhin auf Mißstände hinweisen.

      Viele Grüße H. Günther

  3. Petra Bauer sagt:

    Hallo zusammen!
    Ich möchte gerne hier auf einiges eingehen.

    1. sedierende Medikamente müssen als FEM
    vom zuständigen Amtsgericht schriftlich erlaubt
    werden. Dafür benötigt das Gericht die Zustimmung des Bevollmächtigten/bzw. Betreuers. Die Diagnose Fremd/Selbstgefährdung durch den Arzt genügt NICHT!
    Ansonsten ist dies eine Straftat nämlich
    Freiheitsberaubung (bis zu 5 Jahre Haft/Bußgeld)
    Auch der Arzt der das Medikament verschreibt macht sich strafbar. Das ist Fakt!
    Es wehren sich nur wenige weil sie auf den Pflegeplatz angewiesen sind. Viele halten es auch schlicht nicht für möglich, dass diese Vorgehensweise mit dem Ruhigstellen an ihrem Angehörigen praktiziert wird. Viele schauen weg.
    Die Ärzte sind mir ein Rätsel, denn diese Praxis ist „Gewalt in der Pflege“.

    Zu dem 1. Artikel mit dem Vorschlag Hilfskräfte:

    Wenn keine klare Überwachung der Heime gewährleistet wird, machen diese was Sie wollen.
    Es gibt leider auch Heime wo es so wie vorgeschlagen gemacht wird, die Fachpfleger sich aber nicht mit den demenziell veränderten Menschen beschäftigen weil diese komplett spediert sind wie die Zombies. Alltagsbegleiter räumen die Spülmaschine ein, Pfleger stehen rum Alte sitzen zusammengesackt an den Tischen – stundenlang. Der MDK jubelt 1,0!!

    Es gibt tolle Studien und Vorschläge wie man den Patienten noch Lebensfreude vermitteln kann, dass wird durch das Ruhigstellen komplett verhindert, man kommt nicht mehr an sie ran und ihnen wird jede Menschlichkeit und Würde genommen.

  4. Marlies Hellwig sagt:

    Mein Mann lebt seit Febr. 23 in einem Pflegeheim.Er wollte dort nicht bleiben und wurde in die Psychiatrie ins Klinikum eingewiesen für etwa 3 Wochen. Dann kam er wieder ins Pflegeheim. Ich habe ihn fast täglich besucht. Jetzt kann er kaum noch sprechen und gehen (ohne Rollator nicht möglich) auch stehen ist ohne Hilfsmittel nicht möglich.
    In letzter Zeit habe ich bei meinen Besuchen bemerkt, daß er nur noch schläft. Immer wieder fallen ihm die Augen zu und erbemerkt gar nicht, daß ich noch da bin.Heute habe ich ihn schon vormittags besucht um noch Kleidung zu bringen, gestern war sein Schrank vollkommen leer. Die Wäsche wird im Heim gewaschen. Als ich heute bei ihm war hat er überhaupt nichts mehr wahrgenommen. Er konnte weder sprechen noch sich irgendwie verständlich machen. Ich hatte den Eindruck, daß stark mit Psychpharmaka vollgestopft war. Ich ziehe in Erwägung meinen Mann wier nach Hause zu nehmen. Es ist ein neues Heim (KerVita) aber hinter die Kulissen darf man nicht gucken, da schauderts einem.

  5. Angelika Wong sagt:

    Mein Ex Mann liegt seit eine Herz OP in Hagen Nordrhein-Westfalen in eine WG für Beatmungs und Wachkomapatienten. Er hat ein Schlaganfall während der OP bekommen und trägt seit dem eine Trachelkanüle, Magensonde und ein Bauchdeckenkatheter. Das ist jetzt 4Jahre her. Er wird von Neurologen mit verschiedenen Arzneimittel Tavor, Baclofan dura, Atarax, Täglich voll gepumpt und Pipamperon bei Bedarf. Die einzige Hand die er noch bewegen kann wurde am Bett fixiert seine rechtes Handgeleng hatte sich dadurch verformt. Dann wurde Soken mit Bälle gefüllt und über die rechte Hand gezogen das er auch die Finger nicht mehr bewegen konnte und sich auch die Finger der kleine nicht mehr gerade machen kann. Ich weiß nicht wo ich mir hilfe holen kann das das alles auf hört. Mein Sohn ist der Betreuer wir haben den Neurologen angerufen aber es hört einfach mit den Tabletten nicht auf. Er war jetzt 3x in ganz kurzen Abständen auf der Intensivstation immer das gleiche Er bricht alles aus dann läuft es in der Lunge und bekommt eine Lungenentzündung seine Nieren sind schon geschädigt und weil er nichts drin behält bekommt er ein Nierenversagen und das jetzt schon das 4x .
    Meine Frage wehr Kann uns helfen habe mit den Ärzten schon gesprochen aber die lenken nicht ein.In der Wg Beatmung Einrichtung sagen sie immer er würde sich kratzen und deshalb die Medikamente bekommen. Das höchst dosierte Morphium Pflaster bekommt er auch jeden dritten Tag. Ich habe keine rechte aber so kann und darf es nicht weiter gehen.

  6. Angelika Wong sagt:

    habe noch vergessen er kann sich körperlich nicht bewegen nur seine Rechte Hand und das haben sie ihn auch genommen.

  7. Hammermeister sagt:

    Es ist total frustrierent, was ich so über diese Platform lese!
    ich selber habe auch keine guten Erfahrungen mit dem Pflegeheim gemacht.
    Meine Mutter kam mit 92 Jahren in eine Pflegeeinrichtung (Demenz).
    der Anfang war für meine Mutter nicht leicht,
    doch sie hat sich relativ gut eingelebt.
    Dann kam das,was allen Vorstellungen über trifft.
    Sie sollte unbedingt geduscht werden…
    meine Mutter wollte nicht.
    Sie wurde der Pflegerin handgreiflich.
    Das war dann das Ende ihrer Odyssee.
    Aufenthalt auf einer Phyachtrie, mehr als vier
    Wochen. Jeden Tag war ich bei ihr, doch ich konnte nicht
    mehr mit ihr komoniziren.
    Die Medikamente hatten meine Liebe Mutter
    total kaputt gemacht.
    Meine Mutter ist dann nach langen Leiden
    im Pflegeheim ( zum Trost in meinem beisamm
    verstorben.
    Es war ein grausamer Tot.
    Kein anderes Lebewesen muss so leiden
    wie der Mensch.
    Unser Gesundheitswesen bringt viele Fragen auf.
    Nur das Geld zählt.
    traurig.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert