Das geflügelte Wort

Kleines Fachwerkhaus im Frühling

(c) frauenseiten, Weerts

Mein Rücken schmerzt und ich habe das Gefühl, meine Hände sind nicht die Meinigen. Der Vorgarten ist viel zu groß, Gartenschere, Harke und Besen waren mal wieder im Einsatz.

Abgesehen davon erwischte mich die Nachbarin bei jener Pflichtübung und kam rüber. Nein, nicht um ihre Hilfe anzubieten, sondern um einen Small Talk zu führen. Habe ich ebendieses Vergnügen, höre ich News über Hinz und Kunz, Interessantes wie auch Uninteressantes. Vorübergehend wahre ich die Höflichkeit, letztlich verschafft sie mir eine Verschnaufpause. Zumindest klingt ihre Neuigkeit heute einladend.

«Meine Schwester hat ein Buch veröffentlicht, das Erste».

«Wovon handelt es»?

«Von einer Frau in den besten Jahren, lebensnah, authentisch und bildhaft geschrieben. Lässt sich gut lesen, ist das Richtige für unser Alter».

Zugleich huscht mir die Frage durch den Kopf, was ist überhaupt «das Richtige für unser Alter»?

Bücherstapel

(c) frauenseiten, C.Schütte

Ich merke mir den kurzen Titel, verspreche mich zu informieren und fahre am darauf folgenden Mittag in die Stadt. Unteranderem führt mein Weg in die Buchhandlung. Neuerdings verweile ich hier des Öfteren, erkunde intensiv die literarische Vielfalt bevorzuge aus Kostengründen den Kauf von Taschenbüchern, ohne mich auf ein Genre festzulegen. So auch diesmal.

Meine Sonnenbrille setze ich ab, krame wie üblich in der unübersichtlichen Handtasche nach meiner Lesebrille, suche ergebnislos. Letztendlich ertaste ich sie in der Seitentasche meiner Jackentasche. Gleich vorne im Eingang des Buchladens stapeln sich auf dem Verkaufstisch die Neuerscheinungen. Aufmerksam lese ich die vielen Titel, finde jedoch nicht den Lesestoff, der genau das Richtige für unser Alter sein soll.

Ich wende mich Hilfe suchend an die Bibliothekarin. Sie ist augenscheinlich mein Jahrgang, trägt ihre Brille mit einem stylish Band am Hals, somit immer griffbereit. Das gefällt mir. Sie befasst sich mit meinem Anliegen, findet im PC den Titel wie auch den Namen der Autorin.

«Möchten Sie das Buch bestellen? Morgen Nachmittag wäre es vorrätig».

«Warum ist es nicht ausgestellt, es ist doch soeben erschienen»?

«Aus dem Überangebot der Neuerscheinungen können wir nur einen Teil ausstellen, der Literaturmarkt ist übersättigt. Wir können allerdings jedes Buch bestellen».

«Es ist gewissermaßen eine Empfehlung. Soll das Richtige für mein Alter sein».

das Richtige für unser Alter ? Bücher im Regal

(c) Elfie Siegel

Beim letzten Satz verziehe ich die Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln. Routiniert, ohne meine Ironie zu beachten, liest die Händlerin auf dem Bildschirm den Klappentext. Anschließend gibt sie eine erste Einschätzung. »Das Thema wird die jüngeren Leser weniger ansprechen. Es ist kein Buch über Fantasy und Science-Fiction desgleichen keine Folgeserie einer Krimireihe. Tendenziell wurde es biografisch geschrieben, eher eine Literatur für die reifere Generation durchaus das Richtige für unser Alter».

Sie hebt den Kopf, schaut über den Brillenrand und lächelt mich an. Ich sehe sie an, lächle zurück und bedanke mich für das geistige Band. Meine Brille verschwindet wieder in der Jackentasche. Derweil ich meinen Weg fortsetze, beschäftigt mich weiterhin diese Plattitüde. Sie hat mich irritiert, lässt mich allein mit den vorherigen Betrachtungsweisen. Ich tröste mich einstweilen, trotze der nichtssagenden Redensart hoffe, dass ich in jedwedem Alter ein gesundes Gespür fürs Richtige habe.

Anne Spengler

 

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