Alltagsgeschichten von der Kleinen Brise

„Und jetzt wie meine Oma“

Bunte Geburtstagstorte mit Himbeeren und Papierherzen

(c) J. Bartmann

Die Enkelin feiert ihren zehnten Geburtstag, und zehn Mädchen feiern mit. Ich darf dabei sein und einspringen, wenn Hilfe gebraucht wird. Doch die Mädchenrunde amüsiert sich ganz allein. Als alle am Kaffeetisch sitzen, geht der Spaß schon los: „Jetzt essen wir alle wie die Schweine“, schlägt eine vor und schon beugen sich alle über ihren Kuchenteller und verschlingen laut schmatzend ihr Tortenstück.

„Und jetzt wie meine Oma!“, ruft ein Mädchen in die Runde und fängt an am Kuchen zu mäkeln: „Der schmeckt ja seltsam. Haste wieder ne Kuchenmischung genommen, Annemarie?“ Auch den anderen fallen jetzt Sprüche ein, die ihre Großmütter von sich geben. „Viel zu matschig…Ist das auch Bio?…Sind da Nüsse drin? Ich bin allergisch gegen Nüsse… .“ Ich stehle mich leise davon. Den Kuchen hatte ich gebacken. Aus einer Backmischung.

Zeitvertreib im Zug

Füllfederhalter, Feder und ein Gedicht

(c) Elfie Siegel

Ich sitze im Großraumwagen. Hinter mir hat ein älteres Paar Platz genommen. Er sieht ein bisschen wie Karl Marx aus, sie wie eine biedere Hausfrau (gibt es die eigentlich noch?). Bei Tempo 240 Kilometer pro Stunde liest er ihr Gedichte vor. Eins erkenne ich wieder: Ich ging im Walde / so für mich hin…von Goethe. Sie guckt in ihren Rucksack. Er langweilt sie. Ist das ein Wunder? Immerhin sind fast 250 Jahre vergangen als Goethe seine ersten Gedichte schrieb. Ich finde, etwas anderes ist ein Wunder: Es gibt immer wieder Menschen, die Goethes Gedichte lesen. Gäbe es sie nicht, wäre Goethe längst vergessen.

Bestimmt kein Scherbengericht:

Porzellanteller auf dem Scherben liegen

(c) hhs

Zu meinem Garten gehört ein Hanggrundstück. An seinem Rand stand über 200 Jahre eine Bäckerei. Sie wurde abgerissen. Alle Spuren sind getilgt. Nein, nicht ganz, denn ich finde immer wieder alte Scherben von Schüsseln, Tassen und Tellern am Hang, hinter den ehemaligen Gebäuden. Hier muss also die Müllhalde meiner Vorfahren gewesen sein, denn es sind auch Scherben von Geschirr dabei, das sich noch immer in Familienbesitz befindet.

In Athen wurde das Scherbengericht 507 v. Chr. als Maßregel eingeführt. Die Athener konnten auf einer Scherbe einritzen, welche Bürger für zehn Jahre aus der Stadt verbannt werden sollten.

Kein Scherbengericht am hohen Ufer? Vielleicht haben meine Ur(ur)-großmütter ja hin und wieder doch mit Tellern geworfen, weil sie die ganze mehlbestaubte Männergesellschaft im Haus satt hatten?

Kleine Brise

  2 comments for “Alltagsgeschichten von der Kleinen Brise

  1. Ellen sagt:

    Zu „Zeitvertreib im Zug“: Vielleicht liest „Karl Marx“ ihr schon seit 25 Jahren dieselben Gedichte vor??? Weiß man’s?

    Das sagt Eine, die Gedichte liebt und selber auch welche schreibt.

  2. Kleine Brise sagt:

    Ja, das ist auch eine Erklärung. Viel passender als meine?!

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