Der Sechser flog am besten

gelber Drachen vor blauem Himmel

(c) frauenseiten, Alexandra Schlüter

Was ist das heute langweilig geworden. Wer einen Drachen will, geht in den Laden und kauft einen. Zu meiner Kinderzeit musste man sich den noch selber bauen.

Das war bei uns zu Hause, mit drei Kindern, in einer 55 qm kleinen Wohnung, gar nicht so einfach. Um uns dabei von den Füßen zu haben und in Ruhe loslegen zu können, fing mein Vater mit der Drachenbauerei erst an, als wir im Bett waren. Der wurde schließlich auf dem Wohnzimmertisch gebaut.

Wir lagen hinter der Tür und konnten das Rascheln und Hämmern und das Reden unserer Eltern hören. Mit einer riesigen Vorfreude auf den nächsten Morgen, schliefen wir ein. Für einen Drachen brauchte man Tapetenleisten, Kleister, Band und natürlich Drachenpapier. Das hatten wir am Vortag schon mit den Eltern zusammen gekauft.

Ohne Spannung und Quaste ging gar nicht

Bunter Drachen

(c) priv. VK

Am besten flogen die Sechseckigen. Sie waren am stabilsten. Wenn das Papier um die Leisten geklebt war, musste die „Spannung“ hergestellt werden. Dafür musste das Band bis zur Mitte reichen und genauso bis links und rechts zu den Eckpunkten. Die drei Fäden wurden dann miteinander verknotet. Was an einem schönen Drachen nicht fehlen durfte, war der Schwanz.

Man musste Papierbüschel in einem Abstand von etwa zehn Zentimetern an ein ungefähr anderthalb Meter langes Band knüpfen. Die Krönung war die Quaste. Dann brauchte man natürlich noch jede Menge Schnur um ihn möglichst hoch in die Luft fliegen zu lassen. Hatten wir mal ein bisschen Taschengeld, setzten wir es direkt in Drachenband um.

Am nächsten Morgen staunten wir über unseren neuen Drachen und gleich, wenn unser Vater von der Arbeit zu Hause war, ging es los auf die Wiese. Da gab es auch schon mal Tränen, wenn das Band riss und der Drachen wegflog.

Aber dann wurde ein neuer gezimmert. Die Herbstzeit war eben Drachenzeit!

Gertrud von Hacht

  1 comments for “Der Sechser flog am besten

  1. Dorothee sagt:

    Ich habe immer alle Kinder beneidet, die einen Drachen hatten. In Erinnerung habe ich auch noch, dass es manchmal schwierig war, einen Drachen steigen zu lassen. Entweder wehte der Wind nicht richtig oder der Drachen hatte einen Konstruktionsfehler. Spannung lag immer in der Luft.
    Dorothee

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