Noch vor wenigen Jahrzehnten war das Wort Oma fast ein Schimpfwort. Sätze, wie „Mach mal Platz, Oma!“ oder “Du siehst aus wie eine Oma“ waren nicht als Kompliment gemeint. Großeltern waren das Sinnbild für „unmodern“ und „unfähig“.
Doch es gibt Hoffnung für die Großelterngeneration
François Höpflinger, Schweizer Soziologe und Forscher zu Alters- und Generationenfragen, hat die Erkenntnis gewonnen, dass sich in den letzten Jahren ein viel positiveres Altersbild entwickelt hat. Die Beziehungen der Generationen innerhalb der Familien haben sich verbessert und dadurch auch das Verständnis zwischen Jung und Alt auf gesellschaftlicher Ebene.
Das war vor 40 Jahren noch anders. Die damalige Jugend wollte nach den Erfahrungen des Dritten Reiches vieles – nein, alles anders machen als ihre Eltern. Und sie wollte diese vor allem nicht an der Erziehung der eigenen Kinder beteiligen. Dazu kam, dass in dieser Zeit die alte Rollenzuweisung noch viel stärker zu Buche schlug. Der große Anteil der Mütter blieb zu Hause, eine Hilfe von Seiten der Großeltern war in vielen Fällen gar nicht nötig. Großeltern waren in der der Familie nicht aktiv und wurden im Normalfall zu Familienfesten eingeladen oder besucht. Von den Enkelkindern wurden sie eher als Respektspersonen und weniger als gleichberechtigter Teil der Familie betrachtet. So erlebten die Kinder ihre Großeltern nur wenig und ein inniger Kontakt konnte selten zustande kommen.
Voll im Einsatz
Heute wird in Deutschland etwa jedes dritte Kind, das noch Großeltern hat, von diesen mindestens einmal in der Woche fest betreut und zwei Drittel der jungen Eltern nutzen für den „Babysitter-Dienst“ ihre eigenen Eltern. Höpflinger hat errechnet, dass in der Schweiz über 100 Millionen Betreuungsstunden (50.000 Vollzeitstellen) von den Großeltern erbracht werden.
Die neuen Großeltern haben also einen weitaus größeren Anteil an der Betreuung der Enkel. So war offensichtlich die Beziehung zwischen Großeltern und Enkelkindern nie besser als momentan, was sich eben auch positiv auf das Bild von der „Alten Generation“ auswirkt. Die gemeinsame Lebenszeit beider Generationen beschreibt heute eine viel größere Zeitspanne als vor einem halben Jahrhundert, denn die Älteren sind viel fitter und haben eine viel höhere Lebenserwartung. Zudem haben sich die Wertvorstellungen der Eltern- und der Großelterngeneration in den letzten Jahrzehnten angenähert und die meisten jungen Eltern arbeiten oder studieren beide. Daher ist es logisch, dass die Großeltern als Betreuungspersonen gerne angefragt und auch anerkannt werden. Wobei beide Seiten betonen, dass im Regelfall Betreuung, aber nicht Erziehung von den Großeltern erwartet wird.
Veränderte und doch traditionelle Rolle
Für die regelmäßige Betreuung der Enkelkinder nehmen die neuen Großeltern oft eine Anreisezeit von mehr als einer Stunde in Kauf. Auch die Art der Betreuung hat einen anderen Charakter als in früheren Jahren. Damals waren die Großmütter – wenn sie betreuten – für die Versorgung, also für die Zubereitung des Essens und vielleicht noch für die Wäsche zuständig. Heute spielen die Großeltern häufiger mit den Kindern oder unternehmen gemeinsame Ausflüge. Die Rollenverteilung allerdings hat sich in der Großelterngeneration noch nicht verändert. Die Großmütter sind bei der Betreuung häufiger im Einsatz als die Großväter und während die Omas dann doch hauptsächlich kochen, waschen, putzen und die Kinder hüten, spielen und basteln die Opas begeistert.
Warum dieses große Engagement?
Aber sind alle Großeltern mit der neuen Nähe und der zusätzlichen Aufgabe glücklich? Woher nehmen sie nach so vielen Jahren der – oft auch allein getragenen – Erziehungsarbeit mit den eigenen Kindern die Energie und die Motivation? Haben sie nicht nach Jahren der Berufstätigkeit das Bedürfnis, endlich ihren Hobbies und Träumen nachzugehen?
Es scheint, als ob gerade der Austausch mit der jungen Generation den Älteren Kraft und Energie gibt und fast wie ein Jungbrunnen wirkt. Dies jedenfalls ist, laut Untersuchungen, die Einschätzung der „Neuen Großeltern“ selber. Dabei mag aber auch mit ein Grund sein, dass genau diese Großeltern zu den Vorläufern der sogenannten Helikoptereltern gehören. Sie waren immer bestrebt, ihren Kindern alles in ihren Kräften Stehende zu ermöglichen und ihnen jeden Weg zu öffnen. Das setzt sich vielleicht auch in der Unterstützung der Kinder beim Karrierestart fort. So führt der außergewöhnliche Einsatz der Großeltern auch nicht selten zu einer Überforderung und die Konflikte sind vorprogrammiert. Der Umgang mit diesen Konflikten fällt aber vielleicht den beiden Erwachsenen-Generationen heute leichter als den Generationen weniger Jahrzehnte zuvor.
Andrea Barckhausen
Zwei Anmerkungen zu dem interessanten Artikel:
Die jungen Leute sind heutzutage viel freundlicher und aufgeschlossener gegenüber uns Alten als wir es früher waren.
Und mir fallen öfters Großväter mit Kinderkarre auf.
Es hat sich also einiges zum Positiven verändert.