Haus ohne Zeitung

Titelseiten verschiedener berliner Tageszeitungen

Das war meine Zeitungslektüre, als fest stand, dass die Briten nicht in der EU bleiben wollen. Meine Freundin informierte sich anders (c) hhs

Ich habe meine Freundin in Berlin besucht. Wir haben ein gemeinsames Hobby: Wir lesen jeden Tag gründlich Zeitung. Doch diesmal war alles anders: Meine Freundin hat alle Zeitungsabonnements gekündigt. Zeitungsstapel gibt es bei ihr nicht mehr. Sie informiert sich nur noch am Computer. „Jetzt kann ich selbst entscheiden, wann ich meine Zeitung lesen will. Und weltweit kann ich mir zusätzlich Informationen holen“, schwärmt sie. Und tatsächlich, morgens um acht am Frühstückstisch, als ich einen ersten Blick in den Berliner Tagesspiegel werfe, ist sie schon bestens informiert: Sie weiß, was der Daily Telegraph zum Brexit sagt, welche Meinung die Journalisten in New York zum Veto der Briten haben und hat natürlich auch die deutschen überregionalen Tageszeitungen auf ihrem Computer gelesen .

Ich bin noch lange nicht so weit und erst einmal froh, dass ich den Tagesspiegel und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung beim Bäcker kaufen konnte. Meine Freundin hat im Bett bequem vom Computer gelesen. Ich muss aufpassen, dass die großen Zeitungsblätter nicht auf mein Marmeladenbrötchen fallen. Doch ich bekomme Seite für Seite vorgelegt, was den Autoren zum Thema „Brexit“ eingefallen ist. Meine Freundin hat diesen Service nicht. Sie muss selbst die richtigen Fragen stellen und recherchieren Doch weiß sie am Ende, ob sie ihren Quellen trauen kann?

Diese Skepsis kennt meine Freundin nicht. Beide ahnen wir, dass der bunte Zeitungsmarkt sich ändern wird. Gehöre ich dann zu den Verlierern? „Nein“, sagt meine Freundin. „Nur deine Gewohnheiten ändern sich. Du wünscht dir was und der Computer bedient dich. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Keine Zeitung bleibt mehr in deinem Marmeladenbrötchen hängen oder verstopft dir die Abfalltonne.“

Kleine Brise

  1 comment for “Haus ohne Zeitung

  1. Hedwig sagt:

    Eins meiner beliebtesten Rituale ist meine Tageszeitung zu lesen und zwar frühmorgens zum Frühstück. Das Rascheln der Seiten und das Hinundherblättern gehören dazu. (In Berlin hatte ich mir auch den Tagesspiegel als Rückreise-Lektüre gekauft; der kam mir konservativer vor als meine Tageszeitung.)

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