Ich lache mich tot

Wir waren zu viert. Paul, Robert, Kurt und ich. Meine Tante führte eine kleine Gastwirtschaft. Für Familienangelegenheiten. Wir Kinder liebten diese Gaststätte – und wir liebten Beerdigungen.

Kaffeetassen und Keksteller

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Es war uns total egal, wer da in die Erde gelegt wurde. Die Hauptsache für uns Kinder war der Butterkuchen!
Je länger die Beweihräucherung des Toten dauerte, je mehr Kuchen und Schnäpse bekamen wir ab. Wir rutschten zur Belustigung der Gäste unter den Tischen herum. Schauten zwischendurch hervor, und jeder gab uns etwas. Manchmal schlief einer von uns ein. Dass einem von uns schlecht wurde, kam auch schon mal vor. Kein Wunder!

Wir Kinder waren so etwas wie der Blitzableiter der Gefühle. Mit uns lachte man, anschließend weinte man sich bei der Nachbarin wieder aus. Einmal musste Paul so lachen, dass er gar nicht wieder aufhören konnte. Sein Vater musste ihn nach Hause tragen, aber erst einmal hatte Paul die gesamte Trauergesellschaft mit seinem Lachen angesteckt. Mehr und mehr hochrote Köpfe lachten sich verzweifelt an. Paul stammelte beim Luft holen immer wieder: „Ich lach mich tot.“

Er ist ein lustiger Greis geworden. Er hat bis an sein Lebensende gern gelacht.

Irmtraud Hansemann

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