Ältere Menschen im Koalitionsvertrag 2015-2019

Sitzungssaal der Bremer Bürgerschaft

(c) frauenseiten, Jana Holtkamp

Die älteren Menschen werden zwar im neuen Koalitionsvertrag berücksichtigt, aber es fällt auf, dass sie keineswegs wie im Vertrag für die vergangene Legislaturperiode ein eigenes Kapitel „Ältere Menschen“ erhalten. Diesmal werden die Überlegungen zur Seniorenpolitik dem Kapitel „Soziales“ untergeordnet.

Sie erscheinen mit dem Untertitel „Teilhabe für alte Menschen“. Mit 44 Zeilen wird relativ knapp auf Wohnen und Leben im Alter und auf Pflege und Betreuung eingegangen. Leider muss man aber sagen, dass in der Kürze wenig Würze zu finden ist. Die Ausführungen halten sich sehr allgemein.

Da schreibt Rot/Grün anfangs: „Die Infrastruktur in den Stadt- und Ortsteilen wollen wir seniorengerecht weiterentwickeln, inklusive bessere Aufenthaltsmöglichkeiten im öffentlichen Raum sowie die Herstellung von Barrierefreiheit in den Stadtteilen. Modellvorhaben für gemeinschaftliches, altersgerechtes und interkulturelles Wohnen und Mehrgenerationenwohnprojekte wollen wir ermöglichen…“ (S.65). Es ist schon klar, dass in einem solchen Koalitionsvertrag nicht alles Mögliche konkret aufgeführt werden kann, aber ein wenig gehaltvoller könnte es schon sein. Im letzten Koalitionspapier von 2011 z.B. hieß es noch: „Öffentliche und private Dienstleistungsangebote (Post- und Bankfilialen, Briefkästen u.a.) müssen auf kurzen Wegen erreichbar sein…“. Vollkommen richtig! Betrachtet man jedoch den munter weiter gehenden Abbau der Dienstleistungs-Infrastruktur in Bremens Stadtteilen, dann ist dieses Ziel nicht erledigt, sondern steht immer noch zur Disposition. Bleibt es dabei?

Frau mit Rollator vor Schaufenster

(c) frauenseiten, Sahiner

An anderer Stelle wird gesagt: “Innovative Ansätze zum selbstbestimmten Wohnen für Jung bis Alt sollen berücksichtigt werden. In der Stadt Bremen sind dazu die Dienstleistungszentren eine gute Grundlage, die gestärkt werden muss…“. Auch völlig richtig! Aber die Dienstleistungszentren existieren schon länger und arbeiten gut. Wenn sie trotzdem erwähnt werden, muss es dort wohl personelle, finanzielle und/oder organisatorische Schwierigkeiten geben. Welche sind das? Was ist beabsichtigt, konkret zu tun, um die Schwächen zu beheben?

Weiter heißt es: „Die Aufsuchende Altenarbeit werden wir absichern…“. Im letzten Vertrag war zu lesen, das Modellprojekt zur Aufsuchenden Altenarbeit sei „erfolgreich verlaufen. Wir werden daher diese Arbeit verstätigen und weiterentwickeln.“. Das war doch damals eine klare Ansage, die teils, aber eben noch nicht für alle Bremer Stadtteile umgesetzt werden konnte. Was nun? Nur noch Bestandserhaltung und keine Weiterentwicklung?

Genauso vage bleiben die Aussagen zu weiteren Feldern der Altenarbeit, z.B. zur Förderung von ambulanten und miteinander verzahnten Unterstützungs-, Pflege- und Betreuungsangeboten. Da wird der Leser z.B. belehrt: „Menschen mit Demenz, psychischen Erkrankungen oder geistigen Behinderungen sind eben nicht nur auf Pflege, sondern darüber hinaus auf Betreuung und Zuwendung angewiesen, was sich auch in der Höhe der Pflegeleistungen widerspiegeln muss.“. Na, toll! Als wenn das nicht schon lange bekannt und von der Bevölkerung auch akzeptiert wäre! Warum werden keine konkreten Ziele genannt?

Alte Dame steigt mit Rollator in eine Straßenbahn

(c) Devrim Sahiner, frauenseiten.bremen

Das Thema Barrierefreiheit wird etwas ausführlicher in dem Abschnitt behandelt, der sich mit der Umsetzung der Rechte von behinderten Menschen beschäftigt. Das Thema Armut taucht unter der Überschrift „Soziale Daseinsfürsorge“ auf. Immerhin wird dort festgestellt, „Kinder dürfen kein Armutsrisiko“ sein. Wahrlich, das ist sehr wichtig: Aber ebenso wichtig wäre es, die Armutsfallen für die Älteren abzubauen. Dazu gibt es keinen Hinweis. Traut man sich nicht, die Ursachen für Altersarmut anzugehen, z.B. den prekären Arbeitsmarkt oder eine unzureichende Familienpolitik?

Zu den Themen Altersdiskriminierung, Sicherheit im Wohnumfeld, besonders für ältere und behinderte Menschen, und bezahlbares Wohnen gibt es im Abschnitt „Teilhabe für ältere Menschen“ nichts zu lesen.

Was die Pflege angeht, da werden mit 12 Zeilen einige durchaus richtige Forderungen erhoben, die aber weder neu sind, noch inhaltlich näher erläutert werden. Die Erhöhung der Anzahl an Ausbildungsplätzen in der Altenpflege wird fortgesetzt. Das bedeutet, Bremen schultert jährlich 200 Erstausbildungs-und 50 Umschulungsplätze. Die Arbeitsbedingungen in der Pflege sollen verbessert werden. Welche Schritte schweben denn da den Koalitionären so vor? Sie wollen sich außerdem für eine verstärkte Kontrolle von Pflegeeinrichtungen einsetzen. Das entspräche zwar den Wünschen der Heimbewohner und der Angehörigen. Aber woran wird dabei gedacht? Dazu müssten ja wohl eine genauere Problemanalyse vorgenommen und Lösungswege entwickelt werden. Das wird dauern!

Es wird beabsichtigt, dass „innovative Ansätze zum selbstbestimmten Wohnen für Jung bis Alt“ berücksichtigt werden. Die Koalition verspricht: „Wir werden ein Bremer Modell entwickeln, in dem wir ´Quartierszentren`, eine 24-Stunden-Pflegeunterstützungsbereitschaft und eine Beratung durch Dienstleistungszentren, Begegnungsstätten und andere Beratungsangebote kombinieren.“. Schaun wir mal, was kommt!

Eine kurze Anmerkung noch zum Thema Seniorenvertretung. Zitat: „Die bremische Seniorenvertretung wird weiterhin unterstützt und tagt in der Bremischen Bürgerschaft.“ Der erste Teil des Satzes erfreut sicher jedes Mitglied der SV. Das Postulat im zweiten Teil ist auch nicht schlecht, allerdings hat man vergessen, darauf hinzuweisen, wer jeweils für die Delegiertenversammlungen im Haus der Bürgerschaft die Miete bezahlt, die uns seit einiger Zeit abverlangt wird. Bisher mussten wir dafür Klinken putzen gehen. Für die sehr
aktive, ehrenamtlich tätige Seniorenvertretung der Freien Hansestadt Bremen ist das eigentlich ein unwürdiges Verfahren.

Vier Senioren auf einer Bank

(c) frauenseiten, Robers

Fazit: Der Abschnitt „Teilhabe für alte Menschen“ im rot/grünen Koalitionsvertrag für die Legislaturperiode 2015-2019 hinterlässt den Eindruck, dass sehr oberflächlich daran gearbeitet wurde. Wahrscheinlich war man nach der Wahl durch die Funktionsverteilung und personellen Querelen in den Parteien abgelenkt. Wahrscheinlich haben es auch die Seniorengremien in den Koalitionsparteien, „Grüne Alte“ und „60-Plus“, nicht geschafft, ihre seniorenpolitischen Vorstellungen ausführlicher in den Koalitionsvertrag  einzubringen. Der geringe Grad an Konkretisierung lässt zumindest für die Bremer Seniorenvertretung den Schluss zu, es herrsche hinsichtlich der kommunalen Seniorenpolitik wenig Problembewusstsein, große Ideenlosigkeit, wenig Wille zu konkreter Arbeit oder noch weniger Mut, sich politisch durchzusetzen. Inhaltlich also nichts Neues und Stadtbewegendes in Bremen!

Man könnte befürchten, aufgrund dieses Papiers verstärke sich nun die Politikverdrossenheit unter der Bremer Seniorenschaft. Aber unter diesen Umständen muss und sollte das Gegenteil der Fall sein. Es gilt, die Augen offen zu halten, selbst Ideen zu entwickeln und sich nachdrücklich einzumischen, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Die neue Legislaturperiode verspricht, spannend zu werden.

Gerd Feller

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