Der Tod rückt näher

Früher war er der Tod oft in meiner Nähe. Zeiten mit viel Trauer – In meiner Kindheit und Jugend hatte ich einige Male Begegnungen mit dem Tod. Mein sechsjähriger Bruder verunglückte tödlich bei einem Verkehrsunfall. Mein Vater starb nach qualreichen Jahren mit 45 Jahren an Magenkrebs. Meine geliebte Oma nahm sich mit 59 Jahren das Leben.

Manchmal ist er mir nahe – In meinen jungen Erwachsenen-Jahren war er weit weg – der Tod. Und ich war froh darüber, genoss die Zeit seiner Abwesenheit in meinem Leben. Aber jetzt im Seniorenalter rückt er mir wieder näher. Eine Freundin habe ich in ihren Tod begleitet. Die zwei wichtigsten Männer in meinem Leben sind verstorben. Und ich? Mit meinen 75 Jahren will ich mir oft nicht vorstellen, dass er näher rückt, der Tod. Aber manchmal gelingt es mir doch, mich mit ihm zu beschäftigen. An einem Tag im letzten November habe ich dieses Gedicht geschrieben:

 

Weg im Wald

(c) Verena Schulze

Ein unbekannter Weg

niemand geht mit mir.
Schwimme ich durchs Meer
getragen von unbekannten Wellen?
Fliege ich empor
in die blaue Luft der Gefühle?
Umfängt mich das rote Feuer,
die reinigende Flamme?
Nimmt mich die Erde auf
in ihre braunen Arme?
Wartet auf mich
mein Platz unter der Buche?
Ein unbekannter Weg,
niemand geht mit mir.

Roberta Müller