„Meine Mama Sie nie vergessen“

Hand öffnet Tür

(c) frauenseiten, Robers

Wie ein Trickbetrüger zwei Senioren täuschte.

Sind Herr N. und seine Frau (beide 70+) auf den sogenannten „Enkeltrick“ hereingefallen? Die beiden glauben das inzwischen. Sie haben am Ende zwar kein Geld verloren, sind aber sicher, dass sie einen Trickbetrüger in ihr Haus gelassen haben. „Das war der „Enkeltrick“ in einer neuen Variante“, erklären beide. Das „Drehbuch“ beschreiben sie so:

Ein junger Mann packt in eine Reisetasche Lederjacken und Handtaschen in verschiedenen Größen. Dann fährt er mit seinem Komplizen im Auto (mit italienischem Kennzeichen) in eine ruhige Wohnstraße. Dort warten sie so lange, bis ein Senior oder eine Seniorin auftaucht. Nun wird es für beide spannend: Wird der alte Herr (die alte Dame) eine Haustür aufschließen? Denn das wird ihr „Opfer“ sein. Ist es soweit, springt der junge Mann aus dem Auto und ruft fröhlich: „Ich auf Sie warten. Ich Sie besuchen. Meine Mutter Antonia – sie Putzhilfe vor 15 Jahren in Ihre Haus. Sie immer anständig. Meine Mama Sie nie vergessen. Ich Sie sollen Geschenk machen ..“

Ein leichtes Spiel

Viren und Malware? Schatten einer ausgestreckten Hand, privat

(c) frauenseiten, Robers

Jetzt ist im „Drehbuch“ eine Leerstelle. Wie wird „das Opfer“ reagieren? In unserem Fall war Herr N. das „Opfer“. Er findet die Geschichte nicht unglaubwürdig, denn seine Eltern hatten einen Betrieb mit viel Personal. Aber an eine Antonia kann er sich nicht erinnern. Doch er will nicht unhöflich sein und ruft ins Haus: „Wir haben Besuch aus Italien. Rate mal, wer das ist?“
Frau N. taucht auf. Der junge Mann steht längst im Hausflur und erzählt ihr noch einmal seine Geschichte. Mit einer kleinen Variante, Antonia war nicht vor 15 Jahren, sondern schon vor 20 Jahren Putzhilfe im Haus. Auch Frau N. rührt die Geschichte, doch statt sich zu erinnern, dass schon 30 Jahre kein Personal mehr im Haus ist, schämt sie sich, dass auch sie sich nicht an Antonia erinnern kann. Wo soll ihre Vergesslichkeit bloß noch hinführen?
Auch Herr N. ärgert sich über seine vermeintliche Vergesslichkeit. Um den Schein zu wahren, lächeln beide tapfer weiter.

Die Geschenke

Der junge Mann spielt jetzt den zweiten Teil aus dem „Drehbuch“. Er öffnet seine Tasche und holt sein erstes Geschenk hervor. „Geheimnis. Das ist für Sie Geschenk. Oder sind Sie beleidigt für Geschenk?“, fragt er Frau N. Frau N. packt eine verknautschte Handtasche aus.

In der Zwischenzeit hat er Herrn N. eine Lederjacke angezogen. Beste Flohmarktware. „Geschenk für Sie. Oder sind Sie beleidigt?“

Das Finale

Tatsächlich wollen Herr N. und seine Frau beides nicht als Geschenk annehmen. Nun folgt das Finale, das zu jedem Enkeltrick gehört: Der junge Mann jammert, dass sein Onkel plötzlich gestorben sei. Er konnte nichts auf der Messe verkaufen und es wäre großartig, wenn er für die Geschenke das Geld für eine Tankfüllung nach Hause, an den Gardasee, bekommen würde.

Am Ende

Enkeltrick Tür mit Riegel

(c) Pervez

Doch endlich haben Herr N. und seine Frau ihre Fassung wieder gefunden. „Nein „, sagt Frau N., „solche Geschenke sind bei uns nicht üblich,“ und packt dem jungen Mann einfach alles wieder in seine Tasche. „Auf Wiedersehen“, sagt Herr N. und hält die Haustür auf. Der junge Mann verlässt eilig das Haus. Für ihn ist hier das Drehbuch zu Ende.

Doch Herr N. und seine Frau beschäftigt die Geschichte weiter. Wie konnten sie nur so vertrauensselig sein? Gehören sie nun auch schon zu den arglosen, dummen Alten? Über die sie gestern noch den Kopf geschüttelt haben?
„Wir müssen besser aufpassen“, sagt Herr N. „Uns kriegen die nicht“, verspricht Frau N. und schließt die Haustür zum ersten Mal in ihrem Leben zweimal ab.

Helga Schnatmeyer

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