Ein geschnitzter Brotteller und seine Geschichte

Paketkarton

(c) Elfie Siegel

In meiner Küche hat ein hölzener Brotteller nicht nur einen Ehrenplatz, sondern – wann immer ich ihn in die Hände nehme – wandern meine Gedanken zurück. Weit zurück…..

Es waren die 40ger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Wir waren als Flüchtlinge weit zerstreut. Einige – wie wir – schafften es bis in den Westen. Ein größerer Teil unserer Familie blieb im Osten. Da war zunächst keine Verbindung; allenfalls – nachdem man die Adressen tatsächlich irgendwie gefunden hatte – tauschte man Briefe aus. Ein Bruder meiner Mutter bekam ein oder zweimal die Genehmigung, uns hier in Bremen zu besuchen. Soweit es unsere Finanzen zuliessen, schickten wir Pakete in die DDR. Klar, dass unsere Verwandten sich auch erkenntlich zeigen wollten. Aber wie?

Ein Wiedersehen über das Internet

Brotteller Holzteller mit geschnitztem Rand

(c) Gisela Walther

Als mein Onkel mal wieder bei uns war, brachte er einen selbstgeschnitzten Holzteller mit. Am Aussenrand ist zu lesen „Unser täglich Brot gib uns heute“. Und fortan stand dieser Teller täglich bei uns auf dem Tisch. Nach dem Tod meiner Mutter ging er in meine Hände über; war für mich – und ist es noch – immer etwas Besonderes. Soweit so gut.

Seit 1947 trafen sich die ehemaligen Bewohner der Kleinstadt in Pommern, aus der meine Eltern stammten, in Hamburg zum Heimattreffen. Leider ohne diejenigen, die in der DDR geblieben waren. Vor einigen Jahren setzte mein Jüngster, der alles mit Interesse verfolgt hatte, eine Seite über den Ort in Hinterpommern ins Internet. Und tatsächlich, von Zeit zu Zeit meldeten sich Menschen, die irgendwie auf die Seite gestossen waren.

Die „Ehemaligen“ sind natürlich alle alt. Aber – siehe da – manchmal melden sich auch Jüngere und stellen Fragen. So erreichte mich vor ein paar Tagen eine Email von einem Verwandten. Mit seinem Vater habe ich als Kind gespielt, denn ich war während des Krieges zwangsweise aus Stettin nach Hinterpommern „ausgelagert“ worden zu meiner Oma. Und nun dies. Die Verwandtschaft meldete sich. Während der DDR-Zeit brachen sie den Kontakt ab, weil es ihre politische Situation nicht gestattete.

Der Brotteller geht in andere Hände über

Natürlich sagte ich auch, dass ich den Teller seines Grossvaters habe. Er war sprachlos.
Nun verabredeten wir ein Treffen im Frühsommer. Nach all den Jahren. Und der Teller spielt nun heute wieder ein ganz besondere Rolle dabei. Klar, dass ich ihn überreiche…als Kleinod seines Uropas.

Gisela Walther

  1 comment for “Ein geschnitzter Brotteller und seine Geschichte

  1. Erika sagt:

    Eine wunderbare Geschichte!!!

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