Die Kurze Fahrt in der Linie 10

Karte wird gestempelt

(c) frauenseiten; Greta Jebens

Vor einigen Tagen stieg ich in den letzten Wagen der Linie 10. Es war am Hauptbahnhof. Ich entwertete die vorletzte in meiner Geldbörse befindliche Fahrkarte in dem kleinen an der Säule befindlichen Kartenstempler ab und setzte mich mit Blick nach hinten auf  einen der bunt gepolsterten Sitze. Die Straßenbahn war zu dieser Zeit nur mäßig voll. Ganz hinten in meiner Blickrichtung saß ein starr vor sich hin blickender Mann, der um die 50 Jahre sein mochte.

Mir direkt gegenüber saß eine ältere Frau um die 70. Sie hatte einen Plastikbeutel bei sich und zupfte an ihrem altmodischen Anorak herum. Sie rutschte ständig hin und her auf  ihrem Sitz, um letztendlich die richtige Sitzposition zu erhalten. Etwas nervös schaute sie mal nach rechts und mal nach links, wusste nicht so recht, wohin sie denn nun schauen sollte und fingerte ständig mit ihren Händen herum. Sie wusste nicht, wo sie sie lassen sollte.

Beine beim Eisteigen

(c) frauenseiten; Greta Jebens

Gespräche für alle Ohren

An der übernächsten Haltestelle stiegen 3 Personen ein, ein Mann und 2 noch sehr junge Frauen. Die eine war schlank die andere hatte erhebliches Übergewicht. Alle drei unterhielten sich während des Einsteigens genau über dieses Thema, das Gewicht der jungen Frau. Sie sagte, dass sie in letzter Zeit doch wohl zu viel gegessen habe.
Der junge Mann, der vielleicht 35-38 Jahre alt sein konnte, sah gepflegt und gut gekleidet aus, hatte fast bis zur Glatze kurz geschnittene Haare, wie es im Moment modern ist. Er hatte einen Walkman bei sich und nahm auf dem noch freien Sitz Platz, während die beiden jungen Frauen, die mir sehr suspekt vorkamen, sich zu ihm stellten.

Innengang in einer Straßenbahn

(c) frauenseiten; Greta Jebens

Die Frauen machten einen schlampigen Eindruck und hatten nach der Unterhaltung zu urteilen, nicht viel Bildung. Beide hatten offensichtlich Zahnprobleme. Sie hatten Mühe, sich richtig zu unterhalten weil ihnen fast alle Zähne fehlten. Es wurde auch laut darüber gesprochen so dass alle mithören konnten. Sie waren der Meinung, dass es sogar schon Kinder gäbe, die ihre „dritten“ Zähne hätten.
Damit haben sie vielleicht auch nicht ganz Unrecht. Es sollte wohl auch ein gewisser Trost für sie selber sein. Wie die beiden den Eindruck machten, konnten sie sich bestimmt keinen Zahnarzt leisten. Möglicherweise waren sie auch drogenabhängig.

Überwachungskamera in einer Straßenbahn

(c) frauenseiten; Greta Jebens

Beobachtungen und schiefe Blicke

Die ältere Frau, die mir gegenüber saß, schielte immer mit einem Auge rüber zu den beiden Frauen, traute sich aber nicht, den Kopf ganz herum zu drehen. Sie presste die Lippen fest aufeinander. Der Mann, ganz hinten im Wagen drehte sich halb zur Seite, runzelte die Stirn und man konnte gut von seinem Gesicht ablesen, was er wohl über diese beiden Fahrgäste dachte.

Nach weiteren 3 Haltestellen stiegen die beiden jungen Frauen aus. Der junge Mann, der anscheinend nicht unmittelbar zu den Frauen gehörte, blieb sitzen, schaltete seinen Walkman ein und bewegte seinen rechten Fuß kräftig nach dem Takt der Musik, die er am Ohr hatte. Das Temperament wurde stärker. Er schlug dann auch noch mit beiden Handflächen in gleichmäßigem Rhythmus auf seine Oberschenkel. – Ich musste grinsen und einige andere Fahrgäste auch.

Schienen

(c) frauenseiten; Greta Jebens

Der Mann ganz hinten im Wagen runzelte erneut die Stirn und schaute mit halb gedrehtem Kopf schielend um die Plastikwand, die den Fahrgast vor Zugluft von der Automatiktür schützen soll. Die Frau mir gegenüber verzog keine Miene. Sie drehte nur ganz langsam ihren Kopf rüber zu dem jungen Mann und wieder zurück, um dann demonstrativ stur aus dem Fenster zu schauen. Nach einer Weile stand der junge Mann auf, um sich weiter nach vorne zu setzen wo es inzwischen leerer geworden war. Dort konnte er etwas ungestörter seine rhythmischen Bewegungen ausüben.

Es ist schon ganz interessant, wenn man während einer so kurzen Zeit in der Straßenbahn Leute beobachten und seine Studien machen kann.

LoMa

  1 comment for “Die Kurze Fahrt in der Linie 10

  1. Hedwig sagt:

    Naja, LoMa, dann warst du sicher ohne Handy oder ähnlichem unterwegs. Ich beobachte auch lieber meine Mitfahrer/innen als mich in mein Handy zu versenken., Telefonieren kann ich zuhause noch genug….

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